Notfallplan soll die Personallücke schliessen

Pfarramt

Die reformierte Kirche plant eine kleine Revolution. Um alle Stellen besetzen zu können, sollen Personen, die nicht Theologie studiert haben, ein Pfarramt übernehmen dürfen. 

Bereits jetzt buhlen Pfarrwahlkommissionen um Bewerberinnen und Bewerber, Pfarrerinnen und Pfarrer können sich ihre Stellen meistens aussuchen. Absehbar ist, dass in den nächsten 15 Jahren 300 Pfarrstellen nicht besetzt werden können. Das geht aus Berechnungen des Konkordats für die Pfarrausbildung hervor, dem 19 Kantonalkirchen angehören. Erst danach soll sich die Lage entspannen, weil mit dem Mitgliederschwund auch die Zahl der Pfarrstellen schrittweise zurückgeht.

 
Um die Lücke zu schliessen, wurde das Konzept «Plan P» entwickelt, das «reformiert.» vorliegt. Berufsleute mit Hochschulabschluss, aber ohne Theologiestudium, sollen eine Pfarrstelle übernehmen können. Auf ein Aufnahmegespräch, bei dem auch die Sozialisation thematisiert wird, folgt ein Assessment. Mit der Anstellung beginnt ein dreimonatiges Einstiegsmodul, begleitet von Supervision und Kursen. Darauf können die ausgewählten Personen im Pfarramt tätig werden. Allerdings verdienen sie nur 80 Prozent eines regulären Pfarrlohns, erhalten keine Wählbarkeit und können sich somit nicht auf eine andere Pfarrstelle bewerben.

Ich erhielt den Eindruck, dass es jetzt eine radikale Lösung braucht.
Thomas Schaufelberger, Leiter Pfarrausbildung

Auf Pfarrstellen bewerben sich heute oft auch schlecht oder nicht im Pfarrberuf ausgebildete Personen. Das verkürzte Theologiestudium für Quereinsteiger hat den Landeskirchen zwar zusätzliches Personal beschert, die Lücke nach der Pensionierungswelle können sie damit aber nicht schliessen. Der «Plan P» soll die Anstellungsbedingungen für Interessenten ohne Pfarrausbildung harmonisieren und eine verbindliche Schulung etablieren. Thomas Schaufelberger, der die Aus- und Weiterbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer leitet, geht davon aus, dass das Programm nur für die nächsten zehn Jahre nötig ist. Deshalb richtet sich das Angebot an Akademiker ab 55 Jahren. Pro Jahr müssen voraussichtlich rund 30 Personen angestellt werden. 

Schaufelberger betont, dass es sich um «eine rein temporäre Notlösung» handelt, die eine «akute Mangellage» voraussetze. «Die Zulassungskriterien zum Pfarrberuf werden nicht angetastet.» Entstanden ist die Idee in einer Kaffeepause. Schaufelberger hatte intensive Gespräche mit Pfarrwahlkommissionen und Kirchenleitungen hinter sich. Wenn sich Kirchgemeinden für Bewerberinnen und Bewerber entscheiden, die über keine Wahlfähigkeit verfügen, geraten Kirchenleitungen in Zugzwang. Schaufelberger spürte, «dass es nun eine radikale Lösung braucht».

Dammbruch verhindern

Wie schnell es ging, dass aus der Idee ein Programm wurde, war für Schaufelberger selbst überraschend. «Das zeigt, wie gross die Not ist.» Auch die Dringlichkeit, eine Erosion der Ausbildungsstandards zu verhindern, sei hoch. Wenn die Kirchenleitungen die Voraussetzungen für die Wahlfähigkeit aufweichen, um die Gemeinden zufriedenzustellen, wird es schwierig, zu den bisherigen Kriterien zurückzukehren. Einige Kantonalkirchen setzen schon heute vereinzelt auf Laienprediger.


Ein Dammbruch bei den Anforderungen für die Wahlfähigkeit von Pfarrpersonen hätte «verheerende Konsequenzen», warnt Schaufelberger, da «die Attraktivität des Berufs zunichtegemacht würde». Zum Wesenskern der Reformierten gehöre, dass Pfarrpersonen zur Reflexion fähig und akademisch gebildet seien.
Der Notfallplan und eine Anpassung des Konkordatsvertrags werden nun den Mitgliedskirchen zur Vernehmlassung vorgelegt. Zum Konkordat gehören 19 Landeskirchen, nur die Romandie und Bern sind nicht dabei. Die Synoden der Konkordatskirchen entscheiden im nächsten Jahr. Ziehen sie mit, kann das Programm ab 2026 umgesetzt werden.