Vom Geist des Grossvaters geprägt

Geschichte

Der einstige Pfarrer der Bühlkirche, Adolf Maurer, hinterliess ein umfangreiches literarisches Werk. Alt-Stadträtin Esther Maurer erinnert sich an ihren verstorbenen Grossvater.

Zwei Geschichten werden im Haushalt von Alt-Stadträtin Esther Maurer jedes Mal an Weihnachten unter dem Christbaum vorgelesen. Es sind Weihnachtsgeschichten, welche ihr Grossvater, Pfarrer und Autor Adolf Maurer, einst schrieb.

125 Jahre Kirche Bühl

Montag, 25. Oktober, 19.30 Uhr
Vorfahrinnen in der Bibel und der Gemeinde – und wie geht’s weiter?
Ein feministisches Gespräch zur ­Bühlkirchen-Geschichte
Mit den Pfarrerinnen Verena Naegeli, Tania Oldenhage und Sara Kocher
Musik: Els Biesemans Klavier, anschliessend Apéro
  
Donnerstag, 28. Oktober, 19.30 Uhr
Architektonische Worte
Eine Performance mit dem Text der Bergpredigt im Raum der Kirche Bühl. 
Lesende: Mike Carbonell, Francine ­Keller, Christoph Lantheman, 
Pietro Maggi und Max Sand
Musik: Barbara Wehrli Wutzl (Saxophon), Manuela Keller (Piano), 
Dominique Girod (Bass) 
Leitung und Konzept: 
Sara Kocher und Team, anschliessend Apéro
  
Freitag, 29. Oktober, 19 bis 21 Uhr
Konzert mit Violine und Orgel
Franz Liszt: Fantasie und Fuge über den Choral „Ad nos, ad salutarem undam”
Johannes Brahms: Konzert für Violine und Orchester 
(Orgeltranskription: Grzegor Fleszar)
Eva-Maddalena Grossenbacher: Violine
Grzegorz Fleszar, Orgel
anschliessend Apéro
  
Samstag, 30. Oktober, 9 bis 16 Uhr
Tag der offenen Türen
Power Point Präsentation von Willi Gut und von Hans Spitzli zu Geschichte, Bau, Renovation und Park der Kirche Bühl. Führungen und Turmbesteigung, anschliessend Apéro
  
Samstag, 30. Oktober, 17 Uhr
Geschichten von Zürich
Alt-Stadträtin Esther Maurer liest aus Werken ihres Grossvaters, Adolf Maurer, der Pfarrer an der Bühlkirche war. 
Den älteren Gemeindegliedern sind die Gedichtbände von Adolf Maurer noch präsent, er hat aber auch Bücher geschrieben mit Geschichten «vo Züri». 
Musik: Grzegorz Fleszar, anschliessend Apéro  

Sonntag, 31. Oktober, 10 Uhr
Festgottesdienst
Predigt: Sara Kocher und Thomas Fischer
Musik: Robin Park (Trompete), Grzegorz Fleszar (Orgel) 
anschliessend Apéro
  
Sonntag, 31. Oktober, 17 Uhr
Festliches Konzert mit Bläserquintett und Hammerklavier
Franz Danzi: Bläserquintett B-Dur, Sonatine für Flöte und Klavier, 
Klavierquintett d-Moll
Ludwig van Beethoven: Klavierquintett in Es
Karlsruher Barockorchester Consort
Els Biesemans, Hammerklavier
anschliessend Apéro

«Schon vor dem Lesen weiss ich genau, welche Stellen mich besonders berühren», sagt die Sozialdemokratin. «Und selbst wenn ich ganz allein daheim wäre an den Feiertagen, würde ich diese zwei Geschichten zur Hand nehmen.»

Bewegtes Berufsleben

Am 30. Oktober liest Maurer vor Publikum aus Texten ihres Grossvaters. Der Anlass ist das 125-jährige Jubiläum der Zürcher Bühlkirche. Die neugotische Kirche oberhalb der Schmiede Wiedikon war die letzte Arbeitsstätte des bekannten Zürcher Pfarrers, bevor er 1948 in Rente ging.

Adolf Maurer blickte auf ein bewegtes Berufsleben zurück. Neben dem Pfarramt schrieb er lange für den Zürcher «Kirchenboten» und war fast 50 Jahre Redaktor des «Zwingli-Kalenders».

Sprachliche Distanz

Das Schreiben war seine Leidenschaft. Beim Gespräch in einem Café im Kreis 3 erinnert sich Esther Maurer daran, dass ihr Grossvater neben dem Bett stets ein Notizbuch liegen hatte, um nächtliche Einfälle festzuhalten.

Ein umfangreiches Werk entstand über die Jahrzehnte: Geschichtensammlungen, Predigten, Gedichte. Die Sprache sei nicht mehr zeitgemäss, sagt Esther Maurer. Sie sieht die Texte vor allem als Zeitzeugnisse aus der Arbeitswelt ihres Grossvaters und dem Zürich des frühen 20. Jahrhunderts.

Aus Liebe kein Moralist

In «Die Sonne scheint auch in der Stadt», seinen Kindheitserinnerungen, porträtiert der 1883 geborene Maurer die Stadt vor der Einführung von Tram und elektrischer Strassenbeleuchtung. Als Sohn des Chefs der städtischen Strassenlaternenan­zünder wuchs er im Schatten des St. Peter auf, beschreibt Peterhofstatt und Altstadtgassen als seinen Tummelplatz.

Randständige gingen im Haus der Familie ein und aus, als Mitarbeiter des Vaters. «Das hat sein Menschenbild geprägt», sagt Esther Maurer. Humor- und liebevoll habe Adolf Maurer auf seine Mitmenschen geblickt. «Mein Grossvater hat die Men­schen viel zu sehr geliebt, um Moralist zu sein.»

Ein offenes Pfarrhaus

Auch sein Gottesbild war bestimmt vom liebenden Gott. Der jüdische Autor Manès Sperber, der über ein Jahr bei der Familie Maurer lebte, beschrieb Maurers Beziehung zu Gott in einem seiner Bücher als immer harmonisch, ohne kritische Auseinandersetzung.

Der Pfarrer pflegte ein offenes Pfarrhaus. «Es sassen immer andere Menschen mit am Tisch», erzählt die Enkelin. Diskutiert wurde rege über das Weltgeschehen, das der Grossvater mit grossem Interesse verfolgte. 

Brieflich war er in Kontakt mit den grossen Theologen seiner Zeit. Auch mit dem Mitbegründer der religiös-sozialen Bewegung, Leonhard Ragaz, tauschte er sich aus, war aber nicht Teil der Bewegung. «Als Pfarrer wollte er kein Etikett», sagt Esther Maurer.

Politik statt Pfarramt

Manchen war er dennoch nicht neutral genug: Weil Maurer sich in den 30er-Jahren in der «Vereinigung antimilitaristischer Pfarrer» engagierte, verweigerte ihm der Zürcher Regierungsrat 1933 einen Lehrauftrag an der Universität Zürich – obwohl ihm die theologische Fakultät nur zwei Jahre zuvor die Ehrendoktorwürde verliehen hatte. 

Die Diskussionskultur im Pfarrhaus legte den Grundstein für das politische Engagement seines Sohnes und später dessen Tochter Esther. Beide zogen für die SP in den Stadtrat ein. «Der Geist des Grossvaters hat die Familie stark geprägt», sagt Esther Maurer heute.

Mehrfach liebäugelte die Politikerin selbst mit dem Theologiestudium. Auf dem Gymnasium lernte sie Latein und Griechisch, um sich nach der Matur diese Option offenzuhalten.

Wie die Enkel sich fanden

Ein schöner Zufall bereichert die neuere Familiengeschichte: Adolf Maurer und der Grossvater von Esther Maurers Ehepartner Andreas Hurter waren gut befreundet. Hurters Grossvater hatte bei Maurer sein Vikariat gemacht.

Allerdings lernte sich das Paar nach dem Tod der beiden Pfarrer kennen – im Dschungel von Guatemala. «Wenn sie das arrangiert haben, dann wohl von da oben», sagt Esther Maurer und lacht.