Ja zum Klimagesetz: Auch die Kirchen stehen in der Pflicht

Klimawandel

Das Ja zum Klimaschutzgesetz kam in kirchlichen Organisationen gut an. Will die Schweiz Netto-Null bis 2050 erreichen, müssen auch die Kirchen nun kräftig aufs Pedal drücken. 

Mitte Juni veröffentlichte die US-Klimabehörde National Oceanic and Atmospheric Administration Daten, wonach die Temperaturen des Nordatlantiks höher sind als jemals zu dieser Jahreszeit. Dies bedrohe das Ökosystem, könne Starkregen und erneut heisse Wochen auch in Mitteleuropa auslösen.  

Wenige Tage danach sagte das Schweizer Stimmvolk mit 59 Prozent Ja zum Klimaschutz – zu einer Gesetzesänderung also, die weiter geht als jene, die zwei Jahre zuvor an der Urne bachab geschickt wurde. Strebte das CO2-Gesetz eine Halbierung der Emissionen bis 2030 gegenüber 1990 an, sieht das Klimaschutzgesetz nun Netto-Null bis 2050 vor: Sämtliche durch die Menschen verursachten Treibhausgase müssen spätestens dann durch Reduktionsmassnahmen aus der Atmosphäre entfernt werden. Indem alle Länder, welche das Pariser Abkommen unterzeichnet haben, diesen Weg gehen, hofft man, die Temperaturen zu stabilisieren.

Kirche soll mutiger sein 
«Ich bin äusserst froh», sagte Kurt Zaugg-Ott am Morgen nach dem Ab-stimmungswochenende. Wie viele andere hatte der Leiter der Fachstelle Oeku Kirchen für die Umwelt im Vorfeld der Abstimmung befürchtet, das notwendige Bekenntnis zur Energiewende könnte erneut ausfallen. «Das Ja ist keine Selbstverständlichkeit.» Das neue Gesetz verpflichtet zur kompletten Abkehr von fossilen Energieträgern wie Öl, Gas und Kohle. Diese tragen jedoch 60 Prozent zur Energieversorgung bei, hinzu kommen zehn Prozent aus Atomkraft. «Die Hinwendung zu erneuerbaren Energien, das bedeutet einen grossen Strukturwandel», erklärt Zaugg-Ott. 

Die Oeku, die sich schon seit drei Jahrzehnten für nachhaltiges Handeln einsetzt, hatte auf die Abstimmung am 18. Juni hin die überkonfessionelle Koalition «Christ:innen für Klimaschutz» initiiert. Zaugg-Ott erwartet von den Kirchen jetzt deutlich mehr Initiative als bisher, auf politischer Ebene sowie auch auf jener von Kirchgemeinden oder Pfarreien. «Da die Mitgliederzahlen sinken, halten sie sich mit notwendigen Investitionen zurück. Doch es besteht die Gefahr, dass noch mehr Leute davonlaufen, wenn die Kirchen sich nicht stärker für die Schöpfung engagieren.» 

Da die Mitgliederzahlen sinken, halten sie sich mit notwendigen Investitionen zurück. Doch es besteht die Gefahr, dass noch mehr Leute davonlaufen, wenn die Kirchen sich nicht stärker für die Schöp­fung engagieren.
Kurt Zaugg-Ott, Fachstelle Oeku Kirchen für die Umwelt

Rita Famos, die die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) präsidiert, freut sich auch: Die Bevölkerung habe sich pragmatisch und lösungsorientiert vernehmen lassen. Im letzten Dezember hatte die EKS den Fragenkomplex rund um die Nachhaltigkeit theologisch eingeordnet und bei diesem Prozess auch die gesetzlichen Regelungen positiv bewertet.  

Stärker wollte sich die EKS im Abstimmungskampf nicht einbringen, die breite Koalition «Christ:innen für Klimaschutz» unterstützte sie nicht offiziell. Rita Famos begründet dies so: «Wir sind eine Kirchengemeinschaft, keine politische Partei. Die EKS liefert Studien, informiert über politische Vorlagen und ordnet sie ein.» Pfarrpersonen, Gruppen, das Hilfswerk Heks und diverse Kirchgemeinden hatten die Kampagne mitgetragen. «Aber die Rolle der EKS ist es nicht, sich kampagnenartig in den Abstimmungskampf einzubringen», so die Präsidentin der Reformierten

Die Rolle der EKS ist es nicht, sich kampagnenartig in den Abstimmungskampf einzubringen.
Rita Famos, Präsidentin EKS

Problem global anpacken ​

Für das internationale kirchliche Hilfswerk Mission 21 muss nun einiges geschehen. Sie sei «erleichtert, aber nicht glücklich», sagt dort  Katharina Gfeller, Leiterin Internationale Beziehungen. «Um den Klimawandel wirksam zu bekämpfen, braucht es mehr als die Reduktion von Emissionen im Inland. Wir müssen uns über die Grenzen hinaus dafür einsetzen.» 

Um den Klima­wandel wirksam zu bekämpfen, braucht es mehr als die Reduktion von Emissionen im Inland. Wir müssen uns über Grenzen hinaus einsetzen.
Katharina Gfeller, Mission 21

​Prekäre Lage im Süden

Gfeller weiss aus persönlicher Erfahrung und durch die Arbeit von Mission 21 in zahlreichen Ländern, wie prekär die Lage aufgrund des Klimawandels in vielen Regionen ist. «Bereits in sehr vielen Ländern des globalen Südens verlieren Menschen ihre Grundlagen, insbesondere bäuerliche Gemeinschaften. Diese brauchen internationale Unterstützung», so Gfeller. Doch jeder Einzelne müsse seinen Konsum und seine Form der Mobilität jetzt kritisch hinterfragen und Verantwortung über-nehmen. «Die Sensibilität für ein Umdenken nimmt auf jeden Fall zu. Die Hitze und Trockenheit werden auch in der Schweiz spürbar.» Und sei man selbst betroffen, wachse die Handlungsbereitschaft. 

Die EKS will jedenfalls nicht zuschauen. Der strategische Ausschuss «Bewahrung der Schöpfung» ist damit beschäftigt, konkrete Ziele sowie Massnahmen zur Umsetzung für Mitgliedskirchen zu erarbeiten. Auch wird er Vorschläge für eine «Schöpfungsspiritualität» entwickeln. Damit soll die Energiewende auch in theologischer Hinsicht begleitet werden