Grossmünster wird zur Projektionsfläche für Kunst

Kirchenbau

Das Zürcher Wahrzeichen wird für die Sanierung eingerüstet. Ein Kunst-und-Bau-Projekt soll Impulse geben und das Stadtbild prägen. 

Mehr als 30 Jahre ist die letzte grosse Sanierung her, nun ist es wieder so weit: Das Grossmünster, bedeutendes Wahrzeichen der Stadt Zürich und Wirkungsstätte des Reformators Huldrych Zwingli, wird umfassend instand gesetzt. 


Nach Arbeiten im Innenraum der Kirche, bei denen unter anderem Glasfenster restauriert wurden, geht es nun an die Gebäudehülle. Unter anderem sollen Schäden an der Sandsteinfassade und dem Dachgebälk behoben werden. Geschlossen wird die Kirche dafür nicht. 32,5 Millionen Franken hat das Kantonale Hochbauamt für die Aussensanierung eingeplant. Bauherr ist der Kanton, dem die zwischen 1100 und 1220 erbaute Stadtkirche gehört, die Zürcher Landeskirche ist Betreiberin. 

Vollständig eingehüllt

Die Arbeiten sind über vier Jahre angesetzt und werden das Stadtbild stark verändern. In diesen Tagen werden erste Gerüste hochgezogen. Ab 2026 wird das Grossmünster zwei Jahre vollständig umhüllt sein. Kaum erfreulich für die fast 700 000 jährlichen Besucherinnen und Besucher und doch auch eine Chance: Denn ein Kunst-und-Bau-Projekt soll die Baustelle prägen. 


Angestossen wurde es vom Grossmünster-Pfarrer Martin Rüsch. Er unterbreitete die Idee dem Kanton und stiess auf Gehör. Fünf Kunstschaffende seien angefragt worden, im Frühling Entwürfe zu präsentieren, sagt Rüsch im Gespräch mit «reformiert.». Im April wird eine Jury entscheiden, wer zum Zuge kommt. Im Gremium sitzen neben Vertretern des Kantons und der Kirchenkreiskommission eins auch Architekten, Kunstsachverständige und Rüsch selbst. 

Die Fassade soll nicht zur Werbefläche für Grossunternehmen werden, das wäre ethisch und moralisch fragwürdig.
Martin Rüsch, Pfarrer am Grossmünster

Der Pfarrer rief 2012 die Arbeitsgruppe «Kunst in der Krypta» ins Leben, doch vor zwei Jahren untersagte der Denkmalschutz weitere Ausstellungen im ältesten Teil der Kirche. «Deshalb suchen wir nach neuen Möglichkeiten, die Fassadenhülle bietet sich geradezu an.» 


Rüsch sieht weitere Vorteile im Kunstprojekt, etwa, dass die Fassade nicht zur Werbefläche für Grossunternehmen werden könne, was «ethisch und moralisch fragwürdig wäre». Inhaltlich wurden den Künstlern keine Vorgaben gemacht, klar sei aber, dass es sich nicht um ein rein dekoratives Projekt handle, auch die «reine Provokation» dürfe nicht Ziel sein. 

Internationale Strahlkraft

Möglichkeiten sieht Rüsch viele: «Das Grossmünster steht für eine Schnittmenge aus Gesellschafts-, Religions-, Kirchen- und Stadtgeschichte.» Auch in der Projektdokumentation des Hochbauamts ist zu lesen, denkbar seien gesellschaftliche, historische oder architektonische Fragestellungen. «Aber auch religiöse, nicht-religiöse oder multireligiöse sowie spirituelle Themen.» Für das Kunst-und-Bau-Projekt stehen rund 300 000 Franken zur Verfügung.


Martin Rüsch stellt sich vor, dass die Öffentlichkeit durch Führungen von der Fassadenkunst am Zürcher Wahrzeichen und Tourismusmagnet profitieren könnte. Das Projekt habe eine «landesweite, wenn nicht gar internationale Strahlkraft», sagt der Pfarrer.