Recherche 02. Dezember 2015, von Rita Jost

Der Advent der Anderen

Weihnachten

Hamburg vor Weihnachten. Das heisst: Eintauchen in den Advent der Anderen. Und ein überraschendes Backlash. Eine Adventsgeschichte.

Eine kleine Auszeit: Freunde besuchen, ein bisschen shoppen, ein bisschen bummeln, ein bisschen Hafencity, ein Theaterbesuch. Und ganz viel plaudern, essen, zusammensein. So war es geplant.

Eintauchen. Doch dann gibt es unerwartet noch etwas dazu. Nämlich: Eintauchen in den Advent der Anderen. Und ein überraschendes Backlash.

Hamburg im Festrausch. Das ist zuerst einmal ein Adventskranz – grösser als ein Mühlrad hoch oben an der Decke im Flughafenterminal. Das sind dann Millionen – wenn nicht Milliarden – von Lichtern auf dem Weg in die Innenstadt, hell erleuchtete Kirchen und Shoppingcentres. Und das ist schliesslich: fröhlich gestimmtes Gewusel und ein Duft von Bratwurst, Kartoffelpuffern und Glühwein allüberall.

Geniessen. Insgesamt 15 Märkte von gemütlich-familiär über frivol-verrucht (Stichwort Santa Pauli …) bis stylisch-gediegen machen sich gegenseitig Konkurrenz. Und männiglich scheint die Jahreszeit gut gelaunt und entspannt zu geniessen. So jedenfalls wirkt es auf die Besucherin. Kein Gestöhne über Einkaufsmarathon und Festmenus (an Heiligabend gibt es eh seit Jahr und Tag Kartoffelsalat und Würstchen!), dafür Freude über die Krippenfiguren aus dem Erzgebirge, die einmal mehr den Sommer schadlos überstanden haben. Keine Erschöpfungserscheinungen nach dem zehnten Firmenessen, dafür abendliches Stollenbacken zu Bachklängen im Radio. Kein resigniertes Erdulden des flächendeckenden Jingelbell-Gedudels, dafür aufmerksames Geniessen des Mittagskonzerts in der Kirche (die übrigens ganz selbstbewusst und selbstverständlich mittendrin steht in diesem Rummel).

Rückbesinnen. Und dann inmitten dieser wohligen Stimmung ein Satz, der so richtig das Herz erwärmt: «Spüren Sie die Kraft, mit der Familien wieder zusammenwachsen.» Treffend, schön, wohltuend! Doch, halt, der wirbt ja gar nicht für Weihnachten. Das ist der Werbeslogan eines Musicals. Es läuft seit Wochen erfolgreich in der Hafencity. Sein Titel: Das Wunder von Bern…

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».