Ein mitreissender Film

Filmtipp

«Joyland» ist ein mitreissender Film über Liebe, Identität und dem Gefängnis kultureller Codes. Das Debut des Pakistaners Saim Sadiq ist eine kraftvolle Kritik am Patriarchat.

Mit «Joyland» schaffte es erstmals ein Spielfilm aus Pakistan in die offizielle Auswahl des Filmfestivals Cannes 2022 – und sofort gewann das Debut des 32-jährigen Pakistanischen Filmemachers Saim Sadiq den Jury-Preis «Un certain regard.» Was derzeit in den Schweizer Arthouse-Kinos läuft, lässt die Zuschauer tatsächlich in Minute eins eintauchen in eine Atmosphäre, in der sich Zärtlichkeit und Sehnsüchte in einem engen moralischen Korsett bewegen und mutig dagegen anzukämpfen versuchen, obwohl stets die strafende Gewalt einer patriarchalen Gesellschaft droht. 

Die unkonventionelle Geschichte handelt vom verträumten Haider, dem geliebten Ehemann und Onkel dreier quirliger Mädchen, der es allen recht machen will, sich aber eines Tages in die Transfrau Biba verliebt. Haider ist arbeitslos und mit der klugen Mumtaz verheiratet. Dass die beiden auf traditionelle Rollenmuster pfeifen – Mumtaz arbeitet in einem Kosmetiksalon und ist somit finanziell gesehen die Ernährerin – stört das Paar nicht, stösst aber auf das Missfallen von Haiders Vater und Bruder.

Scham und Liebe

Als Haider ein Job als Backgroundtänzer der Transfrau Biba angeboten wird, lehnt er zunächst ab. Erst als er die charismatische Biba erblickt, steigt er trotz fehlendem Tanztalent ins Training ein. Seiner Familie erzählt er, er sei nun Theatermanager. Zu gross wäre die Schande, ein Darsteller in einem Cabaret, noch dazu in der Crew einer Transfrau zu sein. Zwischen Haider und Biba entwickelt sich eine vielschichtige, schwierige Liebesbeziehung.

Mutig ist der Film auch aus einem anderen Grund. Denn er erzählt ebenso kraftvoll die Situation einer Frau, die ihren Job nicht aufgeben will und für die eigene Kinder nicht das ultimative Ziel im Leben sind: Haiders Gattin Mumtaz. Während Haider mit seinen Gefühlen kämpft, leidet sie immer mehr darunter, dass der Schwager sie nach der Geburt seiner vierten Tochter verpflichtet, seiner Frau im Haushalt zu helfen und ihren Beruf an den Nagel zu hängen.

In Pakistan verboten

«Joyland» sorgte in Pakistan, wo zwischen Oktober 2021 und September 2022 gemäss Amnesty International 18 Trans-Personen getötet wurden, für grossen Wirbel. Zwischenzeitlich war der Film verboten. Saim Sadiq sagte in einem Interview, dass die Geschichte fiktiv, in emotionaler Hinsicht jedoch autobiografisch sei. «Ich war nie Mann genug für eine patriarchalische Gesellschaft.» Seine Kämpfe mit den Vorstellungen von Begehren, Tradition, Männlichkeit, Familie und Freiheit seine in den Figuren von «Joyland» dargestellt. 

Der Film ist eine berührende, äusserst respektvolle Hommage an Frauen, Männer und Transpersonen, die in einer patriarchalisch organisierten Gesellschaft einen hohen Preis für ihre Individualität zahlen. Zugleich aber auch eine Feier des Begehrens, das unwahrscheinliche Bindungen schafft. Sadiq: «Im Grunde ist Joyland bloss ein mit gebrochenem Herzen verfasster Liebesbrief an mein Heimatland.» Der Film war auch auf der Shortlist für die Oscar-Verleihung, die am 12. März stattfand. Leider ging er leer aus.