Auf dem Leuenberg endete ein alter Zwist

Ökumene

Jahrhundertelang waren Lutheraner und Reformierte zerstritten. Für Einigkeit sorgte erst vor 50 Jahren die Leuenberger Konkordie.

Nach intensivem Disput zwischen dem deutschen Reformator Martin Luther und seinem ebenfalls streitbaren Amtskollegen Ulrich Zwingli aus Zürich zerschnitt der Deutsche das Tischtuch und rief: «Zwischen uns wird es nie Einigkeit geben.» Diese Szene ist zu romanhaft, um wahr zu sein, vermutlich ist sie Legende wie so manches, was Luther gesagt und getan haben soll. Tatsache aber ist: Nach dem Marburger Religionsgespräch 1529 gingen Luther als Schöpfer des lutherischen und Zwingli als Repräsentant des evangelisch-reformierten Bekenntnisses im Streit auseinander.

Zwei Standhafte

Anlass für den Dissens gegeben hatte die Frage, ob Jesus im Brot und Wein des Abendmahls leibhaftig präsent sei, wie es Luther postulierte. Oder ob das Mahl lediglich Erinnerungscharakter habe, wie Zwingli lehrte. Beide wichen nicht von ihrer Position ab, was tiefgreifende Folgen hatte: Der Geschwisterstreit zwischen Lutherischen und Reformierten blieb bestehen.

Offiziell ein Ende fand die jahrhundertelange Uneinigkeit erst vor 50 Jahren: 1973 wurde im Tagungshaus Leuenberg in Hölstein bei Liestal ein ökumenisches Dokument verabschiedet, das die theologischen Differenzen als nicht mehr relevant deklarierte und in 49 Paragrafen die innerevangelische Kirchengemeinschaft besiegelte. Dieses Ereignis wird heuer im Rahmen verschiedener Anlässe gefeiert.

Als Reformierter im lutherischen Dänemark: Das war für mich ein sehr be­rührender Augenblick.
Heinrich Rusterholz, Expräsident der Leuenberger Kirchengemeinschaft

Kirchengemeinschaft im Sinn der Konkordie bedeutet: Alle Angehörigen der beteiligten Konfessionen können in einer der Schwesterkirchen das Abendmahl nehmen, die Pfarrerinnen und Pfarrer dürfen kirchenübergreifend wirken, und weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit werden gepflegt.

Seit 20 Jahren nennt sich die Leuenberger Kirchengemeinschaft Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa.

Der Zürcher Theologe Heinrich Rusterholz (88) war von 1996 bis 2001 Geschäftsführender Präsident der Leuenberger Kirchengemeinschaft. Er erlebte unter anderem den Beitritt der Norwegischen Kirche in den Verbund und erinnert sich an den betreffenden Festgottesdienst, bei dem er das Abendmahl austeilen half. «Als Reformierter im lutherischen Dänemark – das war ein sehr berührender Moment», sagt er im Gespräch mit «reformiert.».

Gemeinsam gegen die Nazis

Seit der Reformation gab es Annäherungen zwischen Lutheranern und Reformierten, was jedoch immer wieder scheiterte. Nachhaltig aufgeweicht wurden die Fronten erst in der Zeit des Dritten Reiches, als in Deutschland Angehörige der lutherischen wie auch solche der reformierten Konfession als Bekennende Kirche gegen die vom Nazi-Gedankengut infizierte Deutsche Evangelische Kirche aufstanden. Gemeinsam verfassten sie die geschichtsträchtige Barmer Theologische Erklärung.

www.leuenberg50.org