Recherche 28. Juli 2020, von Nicola Mohler

Aus zwiespältiger Vergangenheit gelernt

Geschichte

Die Basler Mission verurteilte Sklaverei früh. Aber ein paar Missionare duldeten, dass Gemeindemitglieder selbst Sklaven besassen. Jetzt hat Mission 21 das Thema aufgearbeitet.

Korrigendum

In der Version dieses Beitrags vom 28. Juli 2020 hiess es, an der afrikanischen Goldküste (heutiges Ghana) hätten 23 Missionare 242 Haussklaven besessen. Das ist falsch, wie eine erneute Recherche der Mission 21 in den Unterlagen ergab. Die Missionare duldeten zuletzt in den 1850er Jahren, dass insgesamt zwölf einheimische Mitarbeitende der Mission und 11 einheimische Gemeindemitglieder Familien- und Haussklaven besassen – also nicht die Missionare selbst.

Als einziger bisher bekannter Missionar überhaupt habe sich Andreas Riis, einer der ersten Basler Missionare, selbst auf den Einsatz lokaler Sklaven als Arbeitskräfte auf seiner Plantage eingelassen. Doch damit löste er Kritik in der Missionsleitung aus. Sie beorderte Riis nach Basel und entliess ihn 1846 nach einer Anhörung.

Seit dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George ­Floyd durch einen Polizisten ist auch hierzulande die Debatte über Rassismus und Kolonialismus neu entbrannt. Obwohl die Schweiz keine Kolonien besass, gibt es zahlreiche Verstrickungen zum Kolo­nia­lismus: Schweizer Händler, Handelshäuser und Finanzkreise haben vom Sklavenhandel profitiert.

Auch die Evangelische Missionsgesellschaft in Basel wird für ihre Handlungen kritisiert, etwa Komplize der Kolonialmächte gewesen zu sein. «Ja, die Basler Mission hat mit den Kolonialmächten kooperiert, sonst hätte sie gar nicht arbeiten können», gesteht Jochen Kirsch ein, Leiter von Mission 21, in der die Basler Mission aufgegangen ist. «Gleichzeitig aber waren viele Missionare für die Kolonialherren auch unbequeme Zeitgenossen.»

Für Kirsch ist die aktuelle Diskriminierungsdebatte kein Novum: «Unsere ambivalente Geschichte hat uns früh gelehrt, Menschen anderer Hautfarbe auf gleicher Augenhöhe zu begegnen.» Diese Haltung sei ein fester Bestandteil der Missionswerk-DNA geworden.

Unrecht wieder gutmachen

Die 1815 gegründete Basler Mission wurde 1827 in Westafrika tätig. Eine der Anweisungen an ihre Missionare lautete, das Unrecht, das den Menschen durch Sklavenhandel zugefügt wurde, gutzumachen. 

Die Basler Leitung verurteilte die Sklaverei deutlich. Dennoch duldeten die Missionare noch in den 1850er Jahren, dass insgesamt zwölf einheimische Mitarbeitende der Mission und 13 einheimische Gemeindemitglieder Familien- und Haussklaven besassen. Die Missionare hatten allerdings auch das Wohl der Sklavinnen und Sklaven im Blick, wie der Historiker Peter Hänger in seiner Dissertation «Sklaverei und Sklavenemanzipation an der Goldküste» feststellte. Denn für Freigelassene gab es in der Gesellschaft der Goldküste noch kaum Arbeitsmöglichkeiten.

Ein Streit entflammte zwischen jenen, die ein sofortiges, umfassendes Sklavenverbot forderten, und jenen, die für eine Übergangslösung plädierten, um örtlichen Gepflogenheiten gerecht zu werden. 1862 beschloss die Basler Mission, dass alle Sklaven innerhalb von zwei Jahren freizulassen und deren Besitzer zu entschädigen seien.

Teil des Wir-Verständnisses

Das zwiespältige historische Erbe mit der Sklaverei und dem afrikanischen Kakaohandel hat Mission 21 aufgearbeitet. «Wir wollen unsere Fehler nicht verstecken, sondern sie offenlegen und daraus lernen», sagt Kirsch. Eine der wichtigsten Lehren sieht der Pfarrer in der Gleichbehandlung: Partnerkirchen sind auf ihren Wunsch hin selbstständig geworden und vertreten ihre Interessen in der Missionssynode. «Sie sind Teil des Wir-Verständnisses.»

Kirsch stellt fest, dass Missionsarbeit primär im globalen Norden kritisiert oder mit dem Kolonialismus assoziiert wird. Anders hat der Pfarrer dies in den Ländern erlebt, in denen Mission 21 aktiv ist. «Dort hat die Mission einen hohen Stellenwert.» Fehler würden nicht ignoriert, erhielten aber weniger Gewicht. «Sie wertschätzen unser über 200-jähriges Engagement.»

Fehlende Differenzierung

Mit ihrer Forschungs- und Bildungsarbeit versucht Mission 21, gegen jede Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe anzukämpfen. «Wir wollen nicht pauschalisieren, sondern den Menschen in unseren Partnerkirchen eine Stimme geben», sagt Claudia Buess, Programmverantwortliche für Bildungsveranstaltungen. Sie fordert mehr Differenziertheit in der aktuellen Debatte: «Wir müssen uns bewusst sein, mit welchen Begrifflichkeiten wir hantieren.»

Der gleichen Meinung ist Archivarin Andrea Rhyn. Die Historikerin arbeitet im Forschungsarchiv der Basler Mission, das bei der Aufarbeitung der Geschichte des Missionswerks eine wichtige Rolle spielt.

Kritische Forschung

2012 hat das Archiv 30 000 historische Bilder ins Netz gestellt. «Mission 21 will so den Menschen in ihren Partnerländern ihre Geschichte zurückgeben», sagt Rhyn. Zudem forschen jährlich rund 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt in Basel. Oft seien Aufzeichnungen der Missionare die einzigen erhaltenen Dokumente jener Zeit. Religiöse Themen stünden bei der Aufarbeitung nicht so sehr im Zentrum des Interesses wie Fragen der Politik und Geschichte, Anthropologie und Linguistik.

«Wir wollen, dass kritisch geforscht wird», sagt Rhyn. Sie bedauert aber, dass seit den 1960er-Jahren nur das Negative an der Mission thematisiert wurde. «Je mehr geforscht wird, desto mehr kommt an die Oberfläche: Angenehmeres wie auch Unangenehmes.»