Wenn in der Kirche getafelt wird

Gastronomie

Vier Gastronomen wirten derzeit in der Berner Markuskirche, bevor sie saniert wird. Die ersten Reaktionen sind positiv, davor sorgte aber der Werbetext für Diskussionen.

Vor Kurzem hat in Bern ein spezielles Restaurant seine Tore geöffnet. Oder genauer: die Kirchentüren. Die Markuskirche im Breitenrainquartier wird bald saniert. Im Rahmen einer Zwischennutzung wirten vier Gastronomen während dreier Monate in der Kirche. Das klingt aussergewöhnlich, jedoch soll die Markuskirche durch die Sanierung in einen multifunktionalen Raum umgewandelt werden, in dem auch künftig nicht nur Gottesdienste stattfinden sollen. Das Restaurant «Zur Markuskirche» ist quasi ein Test.

Betrieben wird es von Simon Rudaz und Bruno Bucher, die unter anderem das Restaurant «Serini» im Berner Eichholz betrieben. Weiter von Silvan Hug, bekannt von der Bar «Asino» am Casinoplatz oder dem Restaurant und Bar «Capitol», sowie dem Caterer Martin Schöni. Simon Rudaz ist begeistert vom Raum. Wegen der bevorstehenden Sanierung blieben von der Einrichtung nur der Abendmahlstisch und das Taufbecken stehen. «Die Kirche ist für uns ein leerer Raum und eine riesige Kulisse», sagt Rudaz. Von der Kirchgemeinde hätten er und seine Mitstreiter eine Carte Blanche erhalten.

Die Leute sind absolut überwältigt bis hin zu Tränenausbrüchen.
Simon Rudaz, Betreiber des Restaurants «Zur Markuskirche»

So liessen sie ihre Fantasie walten. Heute stehen in der Kirche drei grosse Bäume, im Chor sind volle Weinregale, eine grosse Bar lockt mit Drinks, und ein altes Boot dient als Käsevitrine. Dazu Esstische, Sofas und Sessel. Gedämpftes Licht, viele Kerzen, das kirchliche Wandgemälde im Chor und die farbigen Glasfenster prägen die Stimmung. «Die Leute sind absolut überwältigt bis hin zu Tränenausbrüchen, weil es so schön ist», sagt Rudaz ein paar Tage nach der Eröffnung. Das Restaurant sei bereits gut gebucht.

Das «Abendmahl» als Stein des Anstosses

Beeindruckt ist auch Vize-Kirchgemeinderatspräsident Bernd Berger, der das Restaurant allerdings erst auf einem Video gesehen hat. «Was ich bis jetzt gesehen habe, finde ich einladend und gelungen.» Auf dem Weg zum jetzigen Resultat kam es allerdings zu Spannungen. Die Betreiber des Restaurants gaben für ihre Restaurantwebsite einen Text in Auftrag, der bei manchen Kirchenleuten nicht auf Anklang stiess. So steht da etwa zum Projekt: «Das dürfte ein Höllenritt werden!» Weiter ist die Rede von «blasphemisch anmutenden Getränken», und abends wird das «Abendmahl» serviert. Die beiden Seiten trafen sich zur Aussprache, die Wogen liessen sich glätten.

Oder sogar noch mehr: «Die Nebengeräusche am Anfang waren gut, weil sie Lernprozesse ausgelöst haben», sagt Berger. Als Erstes habe er daraus gelernt, dass bei künftigen Vermietungen an Dritte frühzeitig Gespräche über die geplante Nutzung geführt werden müssten. Und in der Kirche müsse man auch über Chancen und Gefahren erweiterter Nutzungen diskutieren. «Das erste Signal muss Offenheit sein, gleichzeitig müssen wir über Spielregeln und Grenzen nachdenken.»

Die Nebengeräusche am Anfang waren gut, weil sie Lernprozesse ausgelöst haben.
Bernd Berger, Vize-Kirchgemeinderatspräsident Markus

Die zweite Lehre, die Berger aus den Diskussionen zieht, betrifft die Verwendung religiöser Begriffe. «Das Schlimmste wäre, wenn die Kirche auf der Deutungshoheit beharrt, so dass sich niemand mehr traut, religiöse Begriffe in den Mund zu nehmen, aus Angst, zensiert zu werden oder Gefühle zu verletzen», sagt er. Mit religiösen Worten solle man spielerisch und humorvoll umgehen dürfen.

Jedoch solle, sagt Berger, die Kirche dazu die Geschichten erzählen, die damit zusammenhängen. Wenn im Restaurant jetzt an langen Tischen gegessen und das Brot ohne Messer serviert werde, so dass man es brechen müsse, habe dies viel mit dem Abendmahl zu tun. Ebenso das gemeinschaftliche Zusammensein und Teilen beim Essen, auch wenn es in einem säkularen Umfeld geschehe. «Jesus hat immer auch mit den Leuten gegessen. Und am Tisch waren auch Leute willkommen, die sonst nicht willkommen waren.» Solche Zusammenhänge mit der Bibel sollten sichtbar gemacht werden.

Die Diskussion um die Worte auf der Website sieht auch Gastronom Rudaz als Gewinn. Er habe dadurch gelernt, wie hoch die Verletzlichkeit auf Seite der Kirche ist. «Die Institution wird an den Besuchern in der Kirche gemessen. Doch die reformierte Kirche als Ganzes hat ein wahnsinnig grosses soziales Engagement, das man gar nicht wahrnimmt.» Nun wolle sich die Kirche öffnen und erneuern, zugleich fürchte sie sich davor, die alten Mitglieder zu verlieren. Durch die Diskussion habe er diese Ängste besser verstehen gelernt.