Den Mietvertrag für die defizitäre Bistro-Bar Akazie in der Winterthurer Altstadt hat der Vorstand der Fabrikkirche bereits Ende 2019 vorsorglich gekündigt. Nun gibt das einst auf dem Sulzer-Areal gegründete Kirchenprojekt nach 17 Jahren definitiv auf.
Vorstand und Leitungsteam der Fabrikkirche haben dem reformierten Stadtverband von Winterthur einen entsprechenden Antrag unterbreitet. Den Entscheid teilen sie in einer Medienmitteilung vom 22. Januar mit.
Das Loch war nicht zu stopfen
In massive Geldnot geriet die Fabrikkirche, weil die Landeskirche ihren jährlichen Beitrag von 160 000 Franken gestrichen hat. Die Synode bestätigte den Entscheid des Kirchenrats im letzten November.
Der Winterthurer Stadtverband steuerte 240 000 Franken bei. Der Beitrag war zwar bis 2021 gesichert, doch hätte er kurzfristig massiv erhöht werden müssen, um die Fabrikkirche zu retten. Gut 100 000 Franken erwirtschaftete sie durch ihren Gastrobetrieb selbst.
Hauchdünne Mehrheit
Mit dem seit 2006 gesprochenen Beitrag der Landeskirche verlor die Fabrikkirche 40 Prozent ihrer Einnahmen. Gegenüber «reformiert.» zeigte sich Ueli Siegrist, der im Vorstand der Fabrikkirche sitzt, «schwer enttäuscht» darüber, wie vehement Kirchenrat Bernhard Egg in der Synode für die Streichung der Gelder geworben habe. «Sonst wäre es anders herausgekommen.»
Kirchenrat Egg hatte damals eingeräumt, der Entscheid sei knapp und ein Stück weit zufällig. «Für manche der erst gerade frisch gewählten Synodalen war es wohl schwierig, sich spontan eine Meinung zu bilden.» 50 Synodale wollten die Gelder streichen, 48 weiterzahlen. 10 Personen enthielten sich.
Konzept überzeugt nicht
Inhaltlich sei der Fall klar, sagte Egg im Dezember. «Das Konzept der Fabrikkirche überzeugte den Kirchenrat nicht.» Trotz Gesprächen über das zukünftige Profil, die über ein Jahr gedauert hätten, habe die Fabrikkirche keine Ideen mit überregionaler Ausstrahlung vorgelegt.
Selbstkritisch erklärte Egg weiter, der Kirchenrat habe die Fabrikkirche in der Zeit nach dem Wegzug vom Sulzerareal gewähren lassen, «in Erwartung eines baldigen neuen Konzepts». Er stellte jedoch in Aussicht, dass innovative Projekte der Fabrikkirche unterstützt werden könnten.
Ende Juli ist Schluss
Die Akazie soll bis Ende Juni ihren Mittagsservice anbieten und das Solidaritätsprojekt «Iss was du magsch, zahl was du chasch» aufrecht erhalten.
Der Leitung und dem Vorstand sei es ein grosses Anliegen, die Schliessung mit allen Beteiligten sorgfältig und sozialverträglich zu planen. Alle Mitarbeitenden wurden bereits informiert. Alle Verpflichtungen gegenüber Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern würden vollumfänglich erfüllt.
Als Jugendkirche gegründet
Gegründet wurde die Fabrikkirche 2003. Der Zürcher Pfarrer Matthias Girgis und der Jugendsozialarbeiter und Sozialunternehmer Nik Gugger aus Winterthur war von der evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich mit dem Aufbau einer Jugendkirche für die Stadt Winterthur beauftragt worden. Gugger, der inzwischen für die EVP im Nationalrat politisiert, prägte die Fabrikkirche lange Zeit.
Nach vier Jahren fand die Jugendkirche einen festen Standort im Sulzer-Areal Winterthur, bekam ihren Namen und eine neue Bestimmung. Als Arbeitsintegrationsprogramm wurde bis Ende 2013 in der Halle 1019 ein Mittagsbistro betrieben. Zudem fanden Diskussionsabende und spezielle Gottesdienste statt.
Ende 2016 musste die Fabrikkirche ihren Standort aufgeben. Sie zog ins verwaiste Restaurant Akazie ein. Nach Querelen übernahm Pfarrerin Isabelle Schär im Sommer 2018 die Leitung. Ihre Amtszeit dauert nun nur knapp zwei Jahre.