Die Kirche hat eine Schlüsselrolle im Kampf gegen das Virus

Pandemie

In afrikanischen Ländern stehen Kirchen bei der Bekämpfung des Coronavirus an vorderster Front. Sie leisten nicht nur religiösen Beistand, sondern sind Teil des Gesundheitssystems.

In Simbabwe sterben die Pfarrerinnen und Pfarrer. Das Virus habe allein in der Metropolregion in den letzten drei Wochen mindestens zehn Geistlichen das Leben gekostet, sagt Kenneth Mtata, Generalsekretär des ökumenischen Kirchenrats im südafrikanischen Land. «Es ist eine schlimme Zeit für uns.» Der evangelisch-lutherische Theologe berichtet in einem Telefongespräch mit «reformiert.» von der Situation. Die Pandemie traf das Land in einer schwierigen Zeit: politische Instabilität, die Wirtschaft am Boden, nach Dürreperioden leidet die Bevölkerung Hunger.

In den Spitälern fehlt Personal, weil Angestellte wegen schlechter Arbeitsbedingungen und mangelnder Schutzkleidung die Arbeit niedergelegt haben. Offiziell sind in dem Land mit gut 14 Millionen Einwohnern nur rund 1500 Menschen an Covid-19 gestorben, darunter vier Regierungsmitglieder. «Aber gerade auf dem Land sterben viele, die nie getestet wurden», sagt Mtata.

Krankenbesuch ist Pflicht

Wie in anderen afrikanischen Ländern sind die Kirchen besonders exponiert. Zwar finden Gottesdienste virtuell statt. Der Besuch von Kranken oder Sterbenden ist für die Pfarrpersonen jedoch Pflicht. Und Beerdigungen besuchen normalerweise Dutzende bis Hunderte von Angehörigen. Auch für die Gesundheitsversorgung sind die Glaubensgemeinschaften zentral: Mehr als 60 Prozent der Spitäler in Simbabwes ländlichen Regionen betreiben die Kirchen.

Um die Aufgaben zu bewältigen, fehlt Geld. Pfarrstellen und Spitäler werden vor allem über Kollekten finanziert. In Simbabwe arbeiten die Menschen meist selbstständig, zum Beispiel im Strassenverkauf. Durch den Lockdown falle ihre Einkommensquelle weg, an Kollekten sei kaum zu denken, sagt Mtata. «Die Pfarrer bräuchten dringend Schutzkleidung, auch damit sie die Viren nicht in andere Häuser weitertragen, aber viele können sich die Masken nicht leisten.» Zuletzt lud er die Pfarrpersonen zu einem Online-Seminar «sichere Bestattungen» ein.

Mediziner im Gottesdienst

Beim Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) in Genf laufen Informationen über die Situation in verschiedensten Ländern zusammen. Eine Corona-Expertengruppe unterstützt Kirchen weltweit. Nicht nur in spirituellen Belangen, sondern auch bei Fragen zu Hygieneregeln oder Impfungen. «Wir sammeln Best-Practice-Beispiele und fördern den Austausch zwischen Gemeinden», sagt Mwai Makoka. Der Arzt aus Malawi sitzt für den ÖRK in Arbeitsgruppen der Weltgesundheitsorganisation. Dort hat er an den Hygieneregeln für Gottesdienste mitgearbeitet. Die Herausforderungen für Kirchen mit Blick auf die Pandemie trug der Mediziner in einem Strategiepapier zusammen.

Zum Beispiel wenn es um die Verschwörungstheorien oder Falschinformationen geht, die über das Coronavirus verbreitet werden. Die Kirchen könnten die Verbreitung von wissenschaftlich korrekten Informationen über Krankheiten und Prävention fördern, sagt Makoka. «Da sie Spitäler betreiben, ist das nötige Fachwissen vorhanden.» Entscheidend sei, dass Pfarrpersonen die Gelegenheit nutzten, nach dem Gottesdienst etwa Fachleute zu Fragerunden einzuladen.

Mangelnde Transparenz

Auch das Wort der Pfarrperson hat in vielen Ländern Gewicht, obwohl dies ein zweischneidiges Schwert ist. Denn selbst unter den Geistlichen gibt es Corona-Leugner, Impfgegner oder Verschwörungstheoretiker. Schwierig sei es auch, wenn diese vor der Pandemie Gesundheitsthemen wie Malaria oder HIV nie angeschnitten hätten und nun plötzlich die Corona-Impfung empfehlen würden, sagt Makoka. «Dann fragen sich die Gemeindemitglieder natürlich, was der Pastor jetzt für ein Motiv haben könnte.» Idealerweise haben die Gemeinden ihre Kompetenz in Gesundheitsthemen über viele Jahre aufgebaut.

Wie kompliziert das Thema Impfen ist, weiss auch Kenneth Mtata. Den ersten Impfstoff hat Simbabwe jüngst aus China erhalten. Doch es gebe Fragen zu Wirksamkeit und Erprobung, sagt Mtata. «Da wird man dann doch etwas skeptischer bezüglich einer Empfehlung.» Diverse Kirchen haben die Regierung um transparente Information und eine faire Verteilung gebeten. Zudem bitten sie die internationale Gemeinschaft um Hilfe betreffend Impfstoff sowie um wirtschaftliche Unterstützung.

Kirchen in Tansania mahnen zur Vorsicht

Auch in Tansania verschärft sich die Lage zunehmend. Der katholischen Bischofskonferenz des Landes zufol
ge starben innerhalb von zwei Monaten über 25 Priester und 60 Nonnen, 
vielfach an Atemwegserkrankungen. Sowohl die katholische als auch 
die evangelisch-lutherische Kirche rieten Kirchgemeinden dringend, über Hygienemassnahmen zu informieren und diese auch selbst konsequent 
umzusetzen. Damit gehen die Kirchen auf Distanz zur Regierung des Landes. Tansanias Präsident John Magufuli hat die Gefahr durch das Coronavirus monatelang geleugnet. Getestet wird praktisch nicht. Die Lage in Tansania sei besorgniserregend, sagt auch Johannes Klemm, Programmverantwortlicher für Tansania bei Mission 21, im Interview mit «reformiert.». Das Hilfswerk bemüht sich neben seinen Projekten vermehrt um die Ausstattung von Spitälern mit Schutzkleidung und Sauerstoff.