Die Lage in Tansania ist schwer fassbar, es gibt keine offiziellen Zahlen zu Corona-Infizierten oder Todesfällen im Zusammenhang mit Covid-19, die Regierung des Landes hat die Existenz der Krankheit lange geleugnet. Wie beurteilen Sie die Situation?
Johannes Klemm: Tatsächlich gibt es keinerlei Statistiken, aber ich bin sehr beunruhigt. Tansania kam eigentlich gut durch die erste Welle der Pandemie. Aber seit dem Jahreswechsel mehren sich die Zeitungsberichte über Menschen des öffentlichen Lebens, Politiker, ranghohe Diplomaten oder den Direktor der Nationalbank, die verstorben sind. Aus den Spitälern hören wir, dass nun vermehrt schwere Verläufe behandelt werden, das liegt möglicherweise an der südafrikanischen Mutation. Ein Kirchenpräsident sagte mir jüngst, er gehe mittlerweile jeden Tag auf eine Beerdigung. Das lässt den Schluss zu, dass vielfach auch Pfarrpersonen oder deren Familienangehörige sterben. Die katholische Bischofskonferenz hat vor einigen Tagen mitgeteilt, dass 25 Priester und 60 Schwestern innert zwei Monaten an Atemwegserkrankungen gestorben sind. Zwar wird über Corona kaum gesprochen, doch all das fügt sich zu einem Puzzle zusammen.
Hatten Sie selbst Infizierte oder gar Tote zu beklagen innerhalb Ihrer Partnerorganisationen?
Ja, der langjährige Generalsekretär einer Partnerorganisation ist mit 58 Jahren verstorben, auch er litt an Atemnot und Fieber. Und zwei Mitglieder der Kirchenleitung waren schwer erkrankt.
Neuerdings scheint die Regierung des Landes etwas einzulenken, Masken zu empfehlen und die Existenz der Krankheit einzuräumen. Wie erklären Sie sich den Sinneswandel?
Das hat mit den prominenten Todesfällen zu tun, in erster Linie wohl auch mit dem Tod des Vizepräsidenten des halbautonomen Teilstaats Sansibar. Er war ein sehr bekannter Politiker der Oppositionspartei und machte noch vor seinem Tod bekannt, dass er an Covid-19 litt. Auch die Kirchen thematisieren vermehrt die Krankheit sowie Hygienemassnahmen. Das ist ein Druck, den die Regierung nicht komplett ignorieren kann.