Recherche 26. September 2022, von Rita Gianelli

Kirchenrat will nachhaltige Projekte unterstützen

Klimagerechtigkeit

Energiesparen ist in vielen Bündner Kirchgemeinden seit Langem ein Thema. Neu will der Bündner Kirchenrat klimagerechte Projekte fachlich und finanziell unterstützen.

Es herrschte Aufbruchstimmung im Kirchgemeindesaal in Trin an der Herbstsitzung 2017. Kirchgemeindepräsident Jürg Scheidegger präsentierte einen visionären Vorschlag: Zur Gewinnung von nachhaltiger Energie sollte am Dach des über 400-jährigen Kirchenschiffes eine Fotovoltaikanlage angebracht werden. Damit wäre das Trinser Kirchendach schweizweit wohl das älteste mit montierten Solarpanels gewesen. Diese hätten doppelt so viele Kilowatt-Peak pro Quadratmeter produziert, wie eine FV-Anlage normalerweise liefert. «Der Grund ist die exponierte Lage», erklärt Scheidegger. Kirchen sind von Osten nach Westen ausgerichtet. Das Kirchendach hat eine ausgeprägte Südseite und aufgrund der Höhe nie Schatten. «Solche Kirchendächer haben einen unglaublichen Wirkungsgrad», sagt Scheidegger, der als gelernter Maurer in Ta­mins arbeitet.

Denkmalschutz wichtiger

Die Anwesenden im Saal waren begeistert. Doch die Baueingabe der Kirchgemeinde scheiterte an der Denkmalpflege, die einen Eingriff in die spätgotische Bausubstanz höher wertete als die Nachhaltigkeit. Auch das Verhalten der Landeskirche habe ihn enttäuscht, so Jürg Scheidegger. «Es gab keine Unterstützung für uns.» Dabei ist das Bemühen um energieeffizientes Leben in den Kirchen schon lange ein Thema. Bereits 2001 riefen die europäischen Kirchen mit der Charta oecumenica zum dringlichen Handeln auf. 2008 forderte der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) die Mitgliederkirchen an einer Tagung in Genf auf, dringend eigene Schritte zu unternehmen. Der Ukrainekrieg, die damit verbundenen ausbleibenden Gaslieferungen, die unterdurchschnittlich gefüllten Schweizer Stauseen oder die nicht funktionierenden französischen Atomkraftwerke haben den Handlungsbedarf noch verschärft. An der jüngsten ÖRK-Vollversammlung in Karlsruhe war es vor allem die Jugend, die gegen die Untätigkeit der Gesellschaft und der Politik beim Klimawandel protestierte.

Eigene Konzepte

Doch die Umstellung auf effizientes Energiemanagement erfordert Ressourcen. Als Kirchenrätin Barbara Hirsbrunner 2015 die Einführung des Umweltlabels Grüner Güggel propagierte, musste sie zur Kenntnis nehmen, dass vielen Kirchgemeinden auch das Personal fehlte, um das nötige 10-Schritte-Programm umzusetzen. Zudem hatten viele Kirchgemeinden bereits eigene Konzepte erarbeitet. Öl- wurden durch Schnitzelheizungen ersetzt, Gebäude isoliert und Sonnenkollektoren an Pfarrhäusern angebracht. Die «Winterkirche» gibt es in einzelnen Gemeinden seit vielen Jahren, also Gottesdienste im Kirchgemeindehaus statt in der Kirche, wenn es sehr kalt ist. Inzwischen hat aber der Bündner Kirchenrat das Thema Klimagerechtigkeit auf seine Agenda gesetzt. «Klimagerecht handeln» ist eines von sieben Legislaturzielen, die der Bündner Kirchenrat für die Legislatur 2021–2024 formuliert hat. Die darin enthaltenen Leitziele lauten: Der Kirchenrat handelt umweltbewusst und klimaschonend, vernetzt sich mit andern Akteuren und der Zivilgesellschaft und sensibilisiert Kirchgemeinden für ökologisches Handeln. Erste Gespräche mit dem Amt für Energie und Verkehr haben bereits stattgefunden. Zudem plant der Kirchenrat, Kirch­gemeinden bei der Umsetzung klimagerechter Projekte fachlich und finanziell zu unterstützen. Eine Gemeinde durfte bereits profitieren. Dank einem Baukostenzuschuss für die Beratung und den Umbau konnte die Kirchgemeinde Bivio-Surses ihre alte Heizung von Öl auf Pellets umstellen.

Zweiter Anlauf

Und wie geht es weiter in Trin? «Wir haben das Gesuch überarbeitet», sagt Jürg Scheidegger, der inzwischen wegen Wohnortswechsel nicht mehr Trinser Kirchgemeindepräsident, aber noch Projektbeauftragter ist. Mit dem Vorstand der politischen Gemeinde, die Eigentümerin des renovationsbedürftigen Kirchturms ist, startet die Kirchgemeinde ein Gesamtprojekt, in dem die FV-Anlage integriert ist. Kommenden November wird der Entscheid erwartet. «Wir hoffen, dass wir nun bessere Chancen haben», sagt Scheidegger.

Tipps für die Gemeinden

Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) hat eine Taskforce eingesetzt zur Unterstützung der Kirchgemeinden für das Krisenmanagement bei Energiemangel. Es orientiert sich am bundesrätlichen 4-Stufen-Plan. Einen umfassenden Leitfaden hat auch der Verein Oeku Kirche und Umwelt in Kooperation mit den Werken der ökumenischen Kampagne erstellt. Vom Betrieb über die Sanierung bis zum Neubau und dem Einbezug der kirchlichen Angestellten ist das Thema Energiesparen und Klimaschutz ausgeführt.

www.oeku.ch, www.eks.ch