"Ehrlich" die Wahrheit sagen

Gepredigt

Die Predigt von Pfarrer Giovanni Caduff. Gehalten wurde sie am 26. April 2015 in der Kirche Igis über Matthäus 5. 24.

Ich aber sage euch: Ihr sollt überhaupt nicht schwören. Euer Ja sei ein Ja, und euer Nein sei ein Nein. Jedes weitere Wort ist von Übel. Mt. 5. 34, 37

Ehrlich gesagt. Ich zweifle an der Wahrheit, wenn jemand «ehrlich gesagt» sagt. «Ehrlich gesagt» ist eine Sprachmacke. Das Begriffspaar «ehrlich – unehrlich» schwingt mit, im Sinne von «jetzt gerade ehrlich, sonst aber eher unehrlich». Im Herkunftswörterbuch steht, das Wort «ehrlich» habe sich früher vor allem auf das ständische Ansehen bezogen, von dem bestimmte «unehrliche» Berufe wie Henker und Schinder, aber auch Schäfer und Müller, ausgeschlossen waren. Es gab Zeiten, da hat man uneheliche Kinder als «unehrlich» (ohne Ehre) gebrandmarkt; oder Menschen, die sich selbst das Leben nahmen. Die Folgen sind bekannt.

In Israel. Eine ähnliche Sprachmacke grassierte unter den Israeliten. Sie pflegten bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit ihre Aussagen zu «beschwören». Schwören bedeutet ursprünglich, vor Zeugen unter Anrufung Gottes feierlich die Wahrheit sagen. Das kann vor Gericht ausnahmsweise nötig sein. Aber gerade da läuft stets die Warnung vor einem Meineid mit. Wenn häufig und leichtfertig geschworen wird, dann verliert diese Wahrheitszusage ihr Gewicht und ihre Ernsthaftigkeit. Die Israeliten hielten dies für harmlos und werden gesagt haben, sie hätten sich doch nichts dabei gedacht, und das ge­höre doch einfach zur Alltagssprache. Das tönt, «ehrlich gesagt», fast gleich wie heute.

Bei Jesus. Ihr sollt überhaupt nicht schwören, war Jesu Meinung. Ich verstehe ihn so: Wenn es um die Wahrheit geht – und damit um die Ehrlichkeit –, wenn ihr etwas ernsthaft beteuert, dann sollt ihr weder bei Ersatzzeugen noch bei Gott selbst schwören. Denn ein Schwur ist eine definitive Zusage. Die könnt ihr nie mehr zurückholen. Das kann nur Gott. Ihr sollt nicht etwas zusagen, was ihr nicht wirklich im Griff habt. Wirklich im Griff habt ihr nicht einmal euch selbst, denn ihr seid Geschöpfe, nicht Schöpfer.

Und bei uns? Redet vielmehr so, dass die Leute wissen, woran sie mit euch sind. Ein Ja sei ein Ja, und ein Nein sei ein Nein. Dazu brauchts keine Floskeln und keine Sprach­macken und keine Beteuerung, das sei jetzt im Fall ehrlich gemeint.
All diese Zusätze sind «von Übel». «Bist du Christ?» «Ja, jaja, schon. Also, ‹ehrlich gesagt›, nicht, dass ich jeden Sonntag in die Kirche ginge. Aber, ich glaube schon etwas, jaja. Aber so mehr an die Natur, an das Gute und so.» Heisst das jetzt
ja oder nein? Eine zentrale Forderung der Bergpredigt ist Wahrheit, Klarheit und Ehrlichkeit. Das fordert Jesus von mir persönlich, denn die Bergpredigt meint mich. Ist mein Ja ein Ja? Ist mein Nein ein Nein? Mache ich eigentlich auch so viele Wörter
darüber hinaus?

Gepredigt am 26. April 2015 in der Kirche Igis