Recherche 28. August 2018, von Constanze Broelemann

Ein starker Typ auf dem Weg ins Pfarramt

Pfarramt

Der Marketingfachmann Markus Haltiner gehört zu den ersten, die per Seiteneinstieg in den Pfarrberuf gehen. Nun ist er im Schlussspurt.

Wie wird aus einem Ökonomen ein Pfarrer? Markus Haltiner kann das beantworten. Er ist einer der Ersten,die das berufsbegleitende Quest-
Studium absolviert haben. Innerhalb von drei Jahren hat der studierte Betriebswirtschaftler noch einen Master of Arts in Theologie, Reli­gion und Gesellschaft erreicht. Damit hat er die Zulassung für das Vikariat, die Ausbildung zum Pfarrer. Seit diesem Sommer ist Haltiner Vikar in Dübendorf und übt sich in der Praxis.

Markus Haltiner zählt mit seinen 57 Jahren im Quereinsteiger-Studium Quest zu den älteren Semestern. Wer eine solche Zweitausbildung machen will, muss vorher bereits einen Master an einer Universität erreicht haben. Haltiner ist sich abersicher, dass ihn gerade seine umfangreichen Erfahrungen für den Pfarrberuf befähigen: «Meine Lebenserfahrung hilft mir, besser auf Menschen einzugehen.»

Steckenpferd Seelsorge

Am wohlsten fühlt er sich bis jetzt in der Seelsorge: «Meine Motiva­tion für das Pfarramt ist, Menschen in wichtigen Lebenssituationen zu begleiten.» Noch mit zwanzig Jahren, als er das Studium der Betriebswirtschaft an der Universität St. Gallen aufgenommen hatte, konnte er sich nicht vorstellen, einmal Theologie zu studieren. Heute sucht Haltiner auch noch einen anderen Blick auf das Leben, einen, der den Kontakt mit Menschen auf weiteren Ebenen als der des wirtschaftlichen Marketings ermöglicht.

Darüber hinaus wollte er noch einmal etwas lernen, etwas, das er noch beruflich würde nutzen können. Als Haltiner dann von dem Seiteneinsteigerstudiengang Questhörte, war ihm schnell klar: «Dasmache ich!» Und die Wirtschaft?Die Jahre im Produktmarketing, diebis nach Japan führten? Oder die Tätigkeiten für den Kanton Graubünden auf der Expo in Mailand? Oder die Jahre als Politiker, als Gemeindepräsident von Klosters? Alles Schnee von gestern?

Im Gegenteil sagt Haltiner. Das, was er in der Wirtschaft gelernt habe, zu organisieren, Finanzen zu kontrollieren und Projekte voranzubringen, würde ihm im Pfarramt noch zugutekommen. «Wirtschaftliches Denken ist praxisorientiert», das tut der Kirche gut. Auch wenn einige seiner Vikariatskollegen und -kolleginnen schon mal zusammenzucken, wenn Haltiner vom «Pfarrstellenmarkt» spricht. Dass Markus Haltiner sich für das Pfarr­amt eignet, hat ein Assessment bestätigt. In diesem Verfahren wird kirchlicherseits die Motivation für das Pfarramt abgeklopft.

Herausfordernde Lehrjahre

Wissen die Kandidaten auf was sie sich einlassen? Haltiner wusste es. Dass er mindestens drei Jahre mit wenig Geld auskommen musste, dass er noch einmalrichtig büffeln müsste: Alt-Griechisch und Hebräisch zum Beispiel. Das macht nur,wer auch unbedingt ins Pfarramt will, ist Haltiner sich sicher. Zu Beginn seines Studiums hat er nochnebendran für die Expo gearbeitet: «Das war grenzwertig», erinnert er sich. Heute gibt es mehr Blockkurse, damit das Studium besser mit einem Job kombinierbar ist.

Unter Theologinnen und Theologen gibt es auch Kritiker des Quest-
Studienganges. Manche fürchtengar eine oberflächliche Schnell­bleiche zum Pfarrer, zur Pfarrerin. Markus Haltiner sagt dann: «EinTheologe ist mit seinem Studiumnicht fertig.» Deswegen ­seien Quest-
Studierende später gewiss keine schlechteren Pfarrer. «Viel eher hatten wir weniger Zeit zu üben.»

Von den 36 Personen, die 2015 mit Haltiner den Studiengang gestartet haben, sind zehn mit ihmdiesen Sommer im Vikariatskurs. Alle mit eigenen Biografien. Ihn und seine Kollegen eine aber, dass sie alle recht «starke Typen» seien. «Wir sind müde von der anspruchsvollen Ausbildung, aber zufrieden», resümiert Markus Haltiner seinen bisherigen Weg ins Pfarramt.

Constanze Broelemann

Markus Haltiner, 57

Markus Haltiner, 57

In Klosters geboren, absolvierte
Haltiner an der Universität St. Gallen
seinen Master in Betriebswirtschaft.
Anschliessend arbeitete er vor allem im Marketing. Davon zehn Jahre im
Produktmarketing in Japan. Zurück in der Schweiz, war er Projektleiter
für den Kanton Graubünden bei der Weltausstellung in Mailand und
Gemeindepräsident von Klosters. Haltiner ist Vikar in Dübendorf ZH.
Er hat zwei Kinder und spricht meh-
rere Sprachen, darunter Japanisch.