Max Hunziker: Der Meister ist noch immer präsent

Kunst

Die Kirchenfenster des Malers und Grafikers Max Hunziker (1901–1976) bringen Licht und Leben in viele Kirchen. Nun ist sein Atelier erstmals fürs Publikum zugänglich.

Es ist, als beträte man eine Zeitblase. Man hat den Eindruck, als wäre der Künstler nur eben mal kurz raus­gegangen, um in seinem schönen Gar­ten eine Pause zu machen oder im nahen Wehrenbachtobel ein paar Schritte im lauschigen Schatten zu gehen. In seinem Atelier in Zürich-Witikon scheint noch alles so, wie er es 1976 hinterliess: Pinsel stecken in einem Krug, Hammer, Lupe, Was­serwaage liegen bereit.

Überall stehen geschmackvoll platziert Objekte: Büsten, Vasen, Muscheln, Keramik, ein Engel dient als Kerzenhalter, eine goldene Hand hält einen Apfel, vielleicht die Frucht vom Baum der Erkenntnis. Auf dem Fenstersims zum Garten hin steht ein hübsch glasierter Milchkrug, der sich in der Mitte eines Ölbilds an einer Wand wiederfindet – vor der Kulisse eines Walliser Bauerndorfs. «Solche Details entfalten ihre Bedeutung erst, wenn man weiss, dass Max Hunziker der Sohn eines Milchmanns und vom archaischen Leben in manchen Walliser Bergdör­fern äusserst fasziniert war», sagt die Kunsthistorikerin Angela Schiff­hauer beim Atelierbesuch.

Schlichte und wahre Kunst

Allerdings war der 1901 geborene Max Hunziker alles andere als ein Heimatmaler. Seine Lehr- und Wanderjahre führten ihn von Florenz über die Provence nach Paris, von wo er wieder in die Schweiz zurückkehrte, als der Zwei­te Weltkrieg ausbrach. 1975, bei einer Preisverleihung der Stadt Zürich, lobte der Londoner Kunsthistoriker Sir Ernst Gombrich Max Hunziker als «europäischen Meister mit ebenso weitem künstlerischem Horizont». Hunzikers Künstlertum sei das des «Schlichten, aber Wahren», beschied Gombrich, ein Ritterschlag aus berufenem Mund.
Die Bleistiftzeichnung auf dem Arbeitstisch zeigt einen Mann mit Bart und schütterem Haar, den Blick in sich gekehrt. Eine Hand von oben scheint ihn fein an der Wange zu berühren. Vor ihm schwebt eine geo­metrische Form, einige Flächen sind koloriert und verleihen ihr Dreidimensionalität, lassen einen vielzackigen Stern in einem Kreis entstehen. Max Hunziker gestaltete das Blatt am Vortag seines Todes am 9. September 1976. Der bunte Stern im Kreis erinnert an Motive auf seinen Glasfenstern, die auch 57 Jahre nach seinem Tod weiter mit Licht in der ganzen Schweiz Atmosphäre malen, in Schulhäusern, Musiksälen, Regierungsgebäuden, Firmenentrees und eben Kirchen.

Paradiesische Fülle

Zu den schönsten Werken gehören sicherlich die Kirchenfenster in Zürich-Wollishofen, Meilen, Thalwil, Neftenbach oder in der kleinen Kirche Trub im Emmental. Hunzikers Fenster sind nicht nur voller metaphorischer Verweise auf die biblische Tradition, sondern erzählen oft auch von der paradiesischen Fülle, mit der die Natur den Menschen beschenkt: Milch, Honig, Wein, Vögel. Die christliche Symbolik erhält bei ihm etwas Alltägliches. «Er erhöht die Alltagsgegenstände und bringt so die spirituelle Welt in unseren Alltag», beschreibt es Angela Schiffhauer. Sie do­kumentiert derzeit das malerische Werk im Nachlass Hunzikers. Dabei ist es ein Glücksfall, wie viele Ma­lereien in dessen Atelier noch vorhanden und wunderbar erhalten sind, es sind ungefähr 800 Bilder, manche stehen angelehnt an den Wänden, oder sie lagern in den Archivschubladen.

Die Kunst der Betrachtung

Auffällig: Das Motiv des Königs David, der die Harfe zupft, ist im Atelier gleich mehrfach vertreten. Max Hunzikers Bilder führten uns den seelischen Gehalt biblischer Texte vor Augen, schrieb der berühmte Kunsthistoriker Gombrich, sein David verkörpere jenen der Psalmen: Er habe «viel gelitten und wohl gesündigt». Und in der Betrachtung solcher Figuren Hunzikers würden wir lernen «zu empfinden, wie sehr der Mensch den Mitmenschen sucht und braucht». Bald kann man diesen Gefühlen nachgehen. Der Verein öffnet das Atelier erstmals für das Publikum.

Atelierbesuche am 22. und 29. Juli, mit Anmeldung (an: info@atelier-max-hunziker.ch). www.atelier-max-hunziker.ch

Vier öffentliche Führungen an zwei Terminen

Das in Zürich Witikon erhalten gebliebene Atelier des Künstlers Max Hunziker (1901-1976) öffent erstmals seine Türen für die Öffentlichkeit. An folgenden Terminen werden insgesamt vier Führungen durch das Atelier angeboten:

Samstag, 22. Juli 2023, 15-16 Uhr und 17-18 Uhr (Anmeldung bis 15. Juli 2023 an: info@atelier-max-hunziker.ch).
Samstag, 29. Juli 2023, 15-16 Uhr und 17-18 Uhr (Anmeldung bis 22. Juli 2023 an: info@atelier-max-hunziker.ch).

Infos zum Atelier und zum Verein: www.atelier-max-hunziker.ch

Die Öffnung des Ateliers erfolgt im Rahmen des 60-jährigen Jubiläums der Künstlerfarben-Firma Lascaux Colours & Restauro, mit welcher Max Hunziker zusammengearbeitet hat.