Alte Bücher verströmen eine besondere Aura – die Aura von überliefertem Wissen und traditioneller Drucker- und Buchbinderkunst. Handelt es sich dabei auch noch um eine illustrierte Bibel, ist die Ehrfurcht vollkommen, vor allem, wenn das Buch, sagen wir mal, 400-jährig ist. Kein Wunder, werden solche Kostbarkeiten in den Museen hinter Glas gezeigt und von Archivaren nur mit weissen Handschuhen berührt.
Wie aber ist es, eine solche Preziose selbst einmal in Händen zu halten? Dass ich einmal in den Genuss dieses Erlebnisses kommen würde, wagte ich kaum zu glauben. Bis vor Kurzem, als mir einer meiner Freunde von einer alten Bibel erzählte, die einem Burgdorfer Unternehmer gehört. Und vor Zeiten im Besitz eines Pfarrers war, der angeblich im Geruche der Ketzerei stand. Meine Neugier war geweckt, dieses Buch wollte ich sehen.
Die Bibel fährt mit
«Kein Problem, komm rasch vorbei, kannst sie ein paar Tage mit nach Hause nehmen», sagte der Besitzer prompt, als ich ihn anrief. Na wunderbar – eine solche Gelegenheit lässt man sich natürlich nicht entgehen. Ich fuhr also beim Unternehmer vor, er erwartete mich schon und legte mir den schweren Wälzer unkompliziert auf den Autorücksitz.
Erst zu Hause nahm ich mir die Zeit, die Bibel genauer in Augenschein zu nehmen: ein wuchtiger Band, gebunden in ornamental gestanztes Schweineleder, gedruckt in Fraktur, mit Kupferstichen illustriert und versehen mit einem kunstvollen Frontispiz und metallenen Beschlägen. «Biblia: Das ist, Alle Bücher Alts und Neuwes Testament: den ursprünglichen sprachen nach auff das trewlichste verteütschet», lautet der umständliche Titel, der sogar noch um einiges länger ist.