Recherche 28. Juni 2021, von Rita Gianelli

In Graubünden besteht Handlungsbedarf

Digitalisierung

Viele Kirchgemeinden stellten während der Coronapandemie auf digitale Formate um. Eine Studie hat dieses Engagement nun evaluiert.

Contoc-Studie

An der Studie «Churches Online in Times of Corona» (Contoc) nahmen 6500 Pfarrpersonen aus über 20 Ländern teil. Die Studie fokussierte auf digitale kirchliche Angebote unter den Bedingungen der Kontakt- und Versammlungsbeschränkungen während der ersten Pandemiewelle 2020. Eine zweite Contoc-Studie ist für das Frühjahr 2022 geplant.www.contoc.org

Nur die Hälfte der Befragten, Pfarrpersonen oder Kirchgemeinden, sind in den sozialen Medien unterwegs. Das war eines der Ergebnisse der internationalen ökumenischen Contoc-Studie zur Evaluation des digitalen Engagements der Kirchen während der Coronapandemie. Darin unterscheidet sich auch der Kanton Graubünden nicht, im Gegenteil: «Der Anteil der Befragten, die der Anwendung sozialer Medien und digitaler Formate kritisch gegenüberstehen, fiel in Graubünden am höchsten aus», sagt Thomas Schlag, Mitinitiator der Studie, Praktischer Theologe an der Universität Zürich und dort Leiter des Zentrums für Kirchenentwicklung. Noch ein Ergebnis aus Graubünden stach ihm ins Auge: Bei der Umsetzung digitaler Angebote gaben alle 22 der an der Studie teilnehmenden Bündner Pfarrpersonen an, von der Kirchenleitung oder den zuständigen Fachstellen keinen Support erhalten zu haben.

Umdenken nötig

Für die Dekanin, Cornelia Camichel Bromeis, ist das ernüchternd: «Wir müssen diese Kritik ernst nehmen.» Zurzeit verfüge die Bündner Landeskirche aber nicht über die nötigen Personal-Ressourcen, um einen umfassenden Digitalisierungsschub in Gang zu setzen. Die Vorsteherin der Bündner Pfarrsynode betont jedoch, dass das Thema Digitalisierung zu den neuen Strategiezielen des Kirchenrates gehört. Das beinhalte beispielsweise die Schulung kirchlicher Mitarbeitender und die Sensibilisierung zur Präsenz in den sozialen Medien.

Erste Schritte sind in die Wege geleitet. Die Fachstelle Religionspädagogik schult schon jetzt Pfarrpersonen zum Umgang mit Onlinetools im Religionsunterricht an der Volksschule. Einzelne Bildungsveranstaltungen der Fachstelle Gemeindeentwicklung fanden online statt. Und an der Synode referiert ein Kommunika­tionstrainer zur digitalen Wirkung von Kirche.

Insgesamt zieht Schlag ein positives Fazit: «Die Situation, dass von heute auf morgen gar keine Präsenzgottesdienste mehr stattfinden konnten, haben viele Pfarrerinnen und Pfarrer mit Kreativität gemeistert.» Nur dreizehn Prozent hätten auf digitale Formate verzichtet. Digitale Alternativen zur herkömmlichen Konfirmationsarbeit oder zu den Angeboten der Erwachsenenbildung seien jedoch zu wenig genutzt worden, so Schlag. Hier müsse die Kirche präsenter sein. «Mehr digitale Kirche führt auch zu mehr Präsenz in der Gesellschaft», resümiert Thomas Schlag. Ab 2022 wird deshalb an der Theologischen Fakultät in Zürich ein universitärer Weiterbildungsstudiengang «Digital Ministry» durchgeführt werden. Zu den Inhalten gehört unter anderem die theologische Reflexion von digitalen Formaten sowie das Erwerben digitaler Sprachfähigkeit. Schlag, der «passiv auf Facebook und aktiv auf Twitter» ist, ortet da auch bei sich selber Herausforderungen: «Wie bringe ich auf den Punkt, was ich theologisch zu sagen habe? Das ist eine grosse Kunst», sagt er.