Der «beste Brückenbauer» in Bundesbern

Politik

Für einmal hat nicht die lauteste, sondern die verbindendste Person im Politzirkus Schlagzeilen gemacht: der EVP-Nationalrat Nik Gugger. Für ihn ist das Verbindende eine Passion.

Geht es um Bundespolitik, erscheint oft vor allem in den Medien, wer mit Extrempositionen viele Reaktionen provoziert. Im politischen Betrieb gibt es aber auch die anderen: Eher stillere Schafferinnen und Schaffer, die bewusst breite Allianzen suchen.

Am meisten solche hat in den bisherigen zwei Jahren der Legislatur der Winterthurer EVP-Nationalrat Nik Gugger. Das Resultat der Analyse ehre und ermutige ihn, sagt der Sozialunternehmer mit indischen Wurzeln. «Das zeigt, dass man nicht nur mit lauten Tönen vorankommt, sondern auch das Miteinander wichtig ist.»

Analyse von 2900 Vorstössen

Das Verdikt des besten Brückenbauers ist auf Fakten gestützt, nämlich einer gemäss CH Media erstmals durchgeführten Analyse von Vorstössen, die seit Dezember 2019 von Mitgliedern des Nationalrats eingereicht worden sind. In Zahlen heisst das: 2900 Motionen, Postulate, Interpellationen, Anfragen und parlamentarische Initiativen, die über 17'300 Mitunterzeichnungen enthalten.

Zwei Aspekte entschieden über die Punktezahl: Wie erfolgreich sich die Person bei anderen Ratsmitgliedern Unterschriften für die eigenen Vorstösse sammelte und wie oft die Person selbst Vorstösse anderer mitunterzeichnet hat. Je politisch weiter die unterschreibende oder Vorstoss einreichende Person von der anderen entfernt ist, desto mehr Punktezuschlag gab es ausserdem.

Freude am Menschen ist zentral

Warum macht Gugger das? Der Sozialunternehmer, der 15 Jahre lang die reformierte Fabrikkirche Winterthur leitete, bezeichnet es als seine Passion. «Ich habe Freude an Menschen, ich kommuniziere gerne, zeige Mitgefühl, interessiere mich für andere», sagt der 51-jährige Nationalrat. Es liege ihm offenbar, mit anderen zusammenzuarbeiten und Wege zu finden.

Ich gehe bewusst auf Personen aus allen politischen Richtungen zu.
Nik Gugger, EVP-Nationalrat und Sozialunternehmer

Das Vorgehen des Schweizer EVP-Vizepräsidenten scheint einerseits in seiner Persönlichkeit begründet. Andererseits ist es auch bewusst gewählt: «Ich könnte nun einfach einen Vorstoss machen und den an der Session am 13. September einreichen. Mein Anspruch ist aber, dass meine Vorstösse breit abgestützt sind. Deshalb gehe ich bewusst auf Personen aus allen politischen Richtungen zu», erläutert Gugger.

Brücken bauen braucht viel Zeit

Dabei geht er strategisch vor – und oft mit viel Zeit. «Von der Idee bis zum Einreichen eines Vorstosses kann es bei mir zwischen einem und sechs Monaten dauern», sagt der Nationalrat. Es gehe manchmal auch darum, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Und am Wichtigsten sei für ihn: «Ich will bei anderen Verständnis wecken und das Bewusstsein fördern.» Dafür investiere er gerne Zeit.

So nennt Nik Gugger bei der Frage nach einer misslungenen Aktion für ein Anliegen von ihm keinen konkreten Vorstoss. Vielmehr bedauert er, dass er manchmal missverstanden werde oder auch der Zeit voraus sei, wie etwa beim Thema Cybercrime. Oder aktuell habe zum ethisch-sozialen Unternehmertum der Bundestrat seinen Vorstoss offenbar nicht verstanden. «Da lasse ich mich aber nicht entmutigen. Das ist mir wichtig. Daher werde ich eine neue Interpellationen zum sozialen Unternehmertum einreichen.»

Der «Brückenbauer-Index»

Die Auswertung von CH Media erfolgte zur Halbzeit der aktuellen Legislatur. Mit Hilfe von Datenspezialisten wurden die Vorstösse von Nationalratsmitgliedern seit Dezember 2019. Berücksichtigt wurde so fast 2900 Motionen, Postulate, Interpellationen, Anfragen und parlamentarische Initiativen mit über 17'300 Mitunterzeichnungen. Für jedes Ratsmitglied wurden zwei Punkte ausgewertet: wie erfolgreich es für seine Vorstösse bei anderen Ratsmitgliedern um Unterschriften ersucht hat und wie oft es selbst Vorstösse anderer mitunterzeichnet hat. In den beiden Kategorien wurden Punkte vergeben. Je weiter die Beteiligten jeweils politisch auseinanderliegen, desto mehr Punkte gab’s.

Link zum ausführlichen Bericht und der kompletten Rangliste bei Watson.

Glaube als Ermutigung

Sein christlicher Glaube spielt für Gugger insofern eine Rolle, als er ihn als eine Ermutigung empfindet. Der Gesellschaft zu dienen sieht er auf dieser Basis als zentral an. Ausserdem meint der EVP-Nationalrat: «Der Glaube versetzt Berge.»

Könnte es denn mit der Parteizugehörigkeit zu tun haben, dass auf dem zweiten Platz der Auswertung gleich Guggers Parteikollegin Marianne Streiff-Feller erscheint? «Das mag schliesslich zufällig sein. Interessant ist aber schon, dass bei der Gründung der EVP 1918 unter anderem explizit das Ziel genannt wurde, Brücken zu bauen.»

Dass diese Haltung wichtig ist, zeige exemplarisch die herausfordernde Corona-Zeit, sagt Nik Gugger. «Mit Polarisierung ist es nicht gemacht. Wie müssen tagtäglich lernen, aufeinander zuzugehen.» Noch treffender als das Prädikat Brückenbauer findet er dabei das Bild der Waage: «Schliesslich geht es darum, eine Balance zu finden.»