Es ist kein einfacher Gang, den der Wanderprediger aus der italienischen Region Umbrien im Jahr 1209 unternimmt. Die Reise geht zum Papst nach Rom. Das Anliegen des Predigers und seiner zwölf Begleiter: Sie wollen ihre christliche Gemeinschaft offiziell anerkennen lassen. Eine gefährliche Sache, denn neue religiöse Gruppen geraten beim Papst oft in den Verdacht der Ketzerei. Doch Papst Innozenz III. entspricht dem Wunsch der Bittsteller und erlaubt ihnen, als Gemeinschaft ein Leben in Armut zu leben und Busse zu predigen. Offensichtlich ist sogar der höchste Amtsträger der damaligen Kirche vom Charisma und der Authentizität des ärmlich gekleideten, barfuss einhergehenden Wanderpredigers beeindruckt.
Schwester Sonne. Franz von Assisi hiess der Prediger; man kennt ihn ebenso als heiligen Franziskus. Im Besinnungsmonat «Schöpfungszeit», der seit 2007 europaweit zum Kirchenjahr gehört (Spalte rechts), hat er einen Ehrenplatz. Die Schöpfungszeit dauert jeweils vom 1. September bis zum 4. Oktober, dem Gedenktag des heiligen Franziskus. Dieser gilt heute als eigentlicher Öko-Heiliger. Kurt Zaugg-Ott, Leiter der Fachstelle oeku Kirche und Umwelt (siehe Infotext), sagt dazu: «Für Franz von Assisi ist der Bezug zur ganzen Schöpfung eine Selbstverständlichkeit. Der Sonnengesang und verschiedene Geschichten wie beispielsweise die Vogelpredigt bezeugen, dass für ihn auch Tiere, Pflanzen, die Gestirne und die Elemente als Geschwister gesehen werden. Insofern ist er einer der ersten Vertreter einer umfassenden mitgeschöpflichen Theologie.»
Franziskus von Assisi, der von 1181/82 bis 1226 lebte, gilt vielen spirituellen Menschen als vorbildliche Persönlichkeit. Nicht zuletzt, weil er die Nachfolge Jesu überaus ernsthaft und konsequent betrieb. Er war inspiriert und inspirierend, mitfühlend, konsequent im Handeln und manchmal auch rebellisch; das machte ihn glaubwürdig und wirksam über seine Lebenszeit hinaus. Auch für den heute amtierenden Papst, der sich ihm zu Ehren Franziskus nennt.
Bruder Leichtfuss. Zur Welt kam der Heilige in der umbrischen Stadt Assisi als Sohn eines wohlhabenden Tuchhändlers. Der heranwachsende Francesco feierte mit seinen jugendlichen Freunden gerne und oft Feste, die er mit dem Geld seines Vaters bezahlte. Mit 21 Jahren zog er als Soldat seiner Heimatstadt, die mit einer Nachbarstadt in Fehde lag, in den Krieg. Assisi verlor, und Francesco geriet in Gefangenschaft. Als er nach gut einem Jahr freikam, war er krank und seine Welt ins Wanken geraten. Er begann ein neues Leben in konsequenter Armut, teils sesshaft, teils auf Wanderschaft. Er pflegte Aussätzige, hatte Umgang mit Randständigen, kleidete sich wie ein Büsser und hielt provozierende Predigten, die vielen Menschen aus dem Herzen sprachen. Bald schlossen sich ihm Gleichgesinnte an; eine neue Mönchsgemeinschaft entstand, die sich rasch ausbreitete und nach wie vor existiert.
Franziskus, zwei Jahre nach seinem Ableben heiliggesprochen, ist eine der populärsten Heiligengestalten des Mittelalters. Was hat er uns heute noch zu sagen? Der Journalist und Autor Walter Ludin, als Angehöriger des Kapuzinerordens selber ein Nachfolger Franziskus’, formuliert es so: «Der tiefste Grund für die katastrophalen Zerstörungen der Mitwelt liegt in der abendländischen Philosophie, die ein striktes Gegenüber von Mensch und Erde postuliert.» Franz von Assisi aber habe alle Geschöpfe und alles Geschaffene als Brüder und Schwestern gesehen. «Seine Sicht der globalen Geschwisterlichkeit weist uns Auswege aus der Umweltkrise. Immer mehr Menschen spüren wie er, dass nur ein intensives Miteinander, eine universale Harmonie, das Überleben der Menschheit sichert.»
Auch Reformierte lassen sich vom heiligen Franz ansprechen. Etwa Gottfried Locher, Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds: «Franz von Assisi zeigt uns, wie der Reichtum der Schöpfung gerade im eigenen Verzicht auf alles Unnötige zum Vorschein kommt.» Er sei das Gegenmodell zum kriegerischen Kreuzritter, zum gewieften Geschäftsmann, ja zu allen Menschen, die sich als Herren der Natur verstünden. «Franziskus lebt rücksichtsvoll, gewaltlos und vor allem geistlich. In seiner Lebensweise folgt er damit seinem einzigen Herrn Jesus Christus. Das ist, was ich an ihm bewundere: dass er mit sich und der Welt versöhnt ist, ein zutiefst lebensfroher Mensch.»