Recherche 02. Dezember 2021, von Constanze Broelemann, Rita Gianelli

"Weihnachten war ein Synonym für Trauer"

Literatur

In seinem neuen Buch blickt der Churer Rapper Gimma offen auf sein bewegtes Leben zurück. Das eigene Scheitern ist dabei bedeutend.

Warum haben Sie ein Buch über das Scheitern geschrieben?
Gimma: Scheitern und Niederlagen waren in meinem Empfinden magisch mit meinem Grosswerden verknüpft, sowohl in menschlicher als auch künstlerischer Hinsicht. Als ich das begriffen habe, stellte sich die Frage, was mit dieser Erkenntnis nun anzustellen sei. Also habe ich angefangen, darüber zu schreiben. Fragmente, Themen und Personen, die «gescheitert» sind, und alles Mögliche habe ich gesammelt. In dieser Sammlung fiel mir auf, welche Energie und Rückkehrkraft im Scheitern stecken, so war es im zweiten Schritt wichtig, ein Buch über die positiven Aspekte des Schei­terns zu schreiben. Ich wollte meine erlernte Resilienz erklären.

Warum sind Sie so radikal offen?
Als ich zum ersten Mal damit konfrontiert wurde, dass mein Drogenumgang in der Öffentlichkeit stets Anlass zu Gerüchten gab, habe ich beschlossen, dieses Tabu nicht zu akzeptieren, und habe fortan exzessiv über dieses Thema gesprochen, geschrieben und gesungen. Dasselbe mit meiner Vergangenheit, meiner schwierigen Kindheit und dann  schliesslich auch mit meinen Fehlern und Ängsten: Ich habe gemerkt, dass ich mich durch diese Trans­pa­renz unangreifbar mache. Und wenn schon alles über mich auf dem Tisch liegt, kann ich mir die lächerlichen Gespräche über die Details meiner Defizite gleich sparen.

Was hat Sie das Scheitern gelehrt?
Demut, Sicherheit, Wachheit und Nachsicht.

Sie beschreiben Ihre eigene Auf­erstehung. Was hat Ihnen Kraft gegeben?
Die fortwährende Umsetzung meiner Träume hat mich davon überzeugt, dass es gut kommt. Schliesslich habe ich bereits mit vierzig alles, was ich auf einer Bucket-List hatte, schon abgehakt. Diese Energie war echt, und diese Dinge sind alle passiert. Also konnte ich es mir schlussendlich so auslegen im Leben, dass es trotz schlechtester Karten optimal gepasst hat für mich.

Was bedeutet Ihnen Weihnachten?
Nichts. In der Familie war es ein Synonym für Trauer wegen Armut, und meine Grossmutter, mit der ich immer gern feierte, ist nicht mehr unter uns. Es bleibt eine abgespeckte Version von dem, was «Weihnachten» für die meisten bedeutet. Ich werde mit meiner Freundin, meiner Tante, meiner Schwester anstossen. That’s it. Die restliche Nächstenliebe verteile ich zwischen Januar und vor dem Advent.

(Das Interview wurde schriftlich geführt.)

Gimma, 41

«Z’Buach vum #Scheitera» heisst Gimmas, alias Gian-Marco Schmid, neues Buch. Aufgewachsen ist der Rapper, der heute als Werbetexter und Kolumnist arbeitet, in Chur. Nach einer Tumoroperation im Jugendalter trat er kurz in ein Franziskanerkloster ein, danach absolvierte er das KV. Am 2. Dezember liest er in Chur bei einer Dialogveranstaltung von Jugend.gr und der reformierten Landeskirche.