Recherche 25. November 2023, von Mayk Wendt

Eine kleine Kapelle mit viel Geschichte

Afrika

Vor über 500 Jahren erbaute der bekannte Seefahrer Vasco da Gama an der Küste Kenias eine kleine Kapelle – und errichtete damit die wohl erste katholische Kirche Ostafrikas.

«Zwischen den Seefahrernationen der Iberischen Halbinsel tobte dazumal ein Wettkampf», erzählt der junge Kenianer Robinson. Er arbeitet im Nationalmuseum in Malindi, einer Stadt am Indischen Ozean. Die Iberische Halbinsel umfasste im 15. Jahrhundert unter anderem das Königreich Kastilien und Portugal.

Christoph Kolumbus segelte damals unter kastilischer Flagge. Er suchte den Seeweg nach Indien, entdeckte stattdessen aber 1492 Amerika. Nur wenige Jahre später machte sich auch Vasco da Gama, der in portugiesischen Diensten stand, auf den Weg in Richtung Osten.

Afrika statt Amerika
Robinson führt Touristen zu verschiedenen Stationen in Malindi, die mit der islamisch geprägten Geschichte und Religion des Landes verbunden sind. «Die europäischen Seefahrer wollten neue Handelsrouten im asiatischen Raum erschliessen», erklärt er weiter. Lange nachdem arabische Kaufleute bereits mit Gold, Elfenbein und versklavten Menschen gehandelt hätten, seien europäische Länder vor allem an Gewürzen und Seide interessiert gewesen. Doch da Gama gelangte nicht wie Kolumbus nach Amerika: Mit drei Schiffen und rund 170 Besatzungsmitgliedern passierte er das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas, segelte weiter über den Indischen Ozean. So wurde Vasco da Gama 1498 zum ersten Europäer, der Indien auf dem Seeweg erreichte.

Säule zur Orientierung
Bevor da Gamas Flotte jedoch den Indischen Ozean überquerte, machte sie an der ostafrikanischen Küste halt. «Wasser, Nahrung und Holz mussten hier nachgeladen werden», führt Robinson aus. Und er ergänzt: «Sie erbauten auch eine Säule, als Orientierungspunkt für die Rückreise.» Er deutet auf die Vasco-da-Gama-Säule, die heute zu Malindis Touristenattraktionen zählt.

Keine zehn Gehminuten entfernt steht ein kleines, weisses, unscheinbares Haus an der Hauptstrasse. Es hat ein spitzes Dach aus Kokospalmenblättern. Das eiserne Kreuz auf dem Dachgiebel hingegen fällt auf. Wer mehr über die kleine portugiesische Kirche wissen möchte, wird von Robinson an Priester Sossy verwiesen, denn «er hat sich viele Jahre lang mit der Geschichte dieses Gotteshauses beschäftigt».

Das kleine Gotteshaus
«Vasco da Gama verspürte das Bedürfnis, eine kleine Kapelle zu errichten», berichtet Priester Sossy, der mit vollständigem Namen Sos­thenes Josephat Luyembe heisst und aus Tansania stammt. Als Gemeinschaft von Seeleuten – als christliche Gemeinschaft – wollten sie hier zusammenkommen, um gemeinsam zu beten, Gott zu preisen und ihm zu danken. Nur fünf mal fünf Meter misst das Gebäude. Kaum vorstellbar, dass eine ganze Schiffsbesatzung darin Platz fand. «Das ist natürlich nicht möglich», sagt Priester Sossy, «es ist aber davon auszugehen, dass sie in der kurzen Zeit kein grösseres Haus bauen konnten.» Zum Bau wurde vor allem Korallenstein verwendet, die Bänke im Innenraum bestehen aus dem Holz der Kokospalme.

Ein Heiliger kommt an
Priester Sossy spricht immer wieder von der Franz-Xaver-Kirche. 1541 vom heiligen Ignatius beauftragt, reiste der Namensgeber in Richtung Indien, um das Evangelium zu verbreiten, schliesslich war die Reformation in Europa in vollem Gange. Franz Xaver war nicht nur Missionar, sondern auch Mitbegründer des Jesuitenordens. Während der Überfahrt von Portugal in Richtung Indien starben jedoch drei Seeleute auf seinem Schiff. Der heilige Franz Xaver wusste eventuell, dass es in Malindi einen geeigneten Ort für die Bestattung geben könnte. Doch vielleicht war es auch Zufall, dass er dort anlegte wie da Gama schon 40 Jahre zuvor. Die drei Gräber prägen bis heute ganz markant das Kirchenareal.

Versöhnung in der Kirche
Die Region um Malindi ist stark vom Islam und von der arabischen Kultur geprägt: Die Grenze zu Somalia ist nicht weit, und historisch gesehen waren sich Muslime und Christen feindlich gesinnt. «Deshalb war zu dieser Zeit das Haus nicht nur Gebetsort, sondern diente auch als Versteck für die Christen», sagt Priester Deshi. Er stammt aus Indonesien und forscht ebenfalls zur «wohl ersten katholischen Kirche nicht nur in Ostafrika, sondern auf dem gesamten Kontinent Afrika». Während seines Aufenthalts in Kenia suchte Franz Xaver immer wieder Kontakt mit den Imamen, den geistlichen Oberhäuptern der Araber, wie Deshi erzählt. Die versöhnlichen Unterhaltungen hätten dann oft in der kleinen Kirche stattgefunden. «In den Gesprächen rief Franz den Geist der Einheit, des Dialogs und der Fürsorge an», erklärt Sossy. Christen und Muslime leben heute in Malindi friedlich zusammen. Die Kirche wird seit vielen Jahren nur noch am 3. Dez-ember, dem Namenstag des heiligen Franz Xaver, genutzt. «Wir gedenken an diesem Tag vor allem seines versöhnlichen Wirkens in Malindi», betont Priester Deshi. In der römisch-katholischen Kirche ist Franz Xaver auch der Schutzpatron Indiens sowie aller Seereisenden. Die kleine Kirche steht inzwischen unter der Obhut des kenianischen Nationalmuseums.