Damit fairer Handel wirklich nützt

Wirtschaft

Mit Fairtrade allein lässt sich Armut nicht wirkungsvoll bekämpfen. Formen des Direkthandels dagegen können die Einkommen im globalen Süden deutlich verbessern.

Es war eine klare Ansage: 2018 verzichtete Gebana, der Pionier des fairen Handels, darauf, mit dem Wörtchen «fair» Werbung zu betreiben. Zu sehr bestimmten Nahrungsmittelmultis und Detailhändler die Bedingungen und das Marketing des fairen Handels. Das Modell von Gebana jedoch setzt unter dem Motto «Weltweit ab Hof» auf direkte Geschäftsbeziehungen zwischen Produzenten und Endkonsumenten. Dabei bezahlt Gebana seinen Partnern immer den Fairtrade-Mindestpreis und beteiligt sie mit zehn Prozent am Umsatz. 

Das Jahr 2020 war wegen Corona für den Online-Händler Gebana und damit für die Farmer im Weltsüden ein gutes Jahr. Zahlen liegen noch keine vor. Sandra Dütschler, Sprecherin von Gebana, schätzt das Umsatzplus auf 50 Prozent. Den Produzenten von Mangos, Datteln oder Orangen könnte die Umsatzbeteiligung mehrere zusätzliche Monatseinkommen bescheren.

Davon können die westafrikanischen Kakaopflanzer nur träumen. Es war ein Schock für die beliebte Fairtrade-Stiftung Max Havelaar, als 2019 eine Reportage des «Kassensturz» ans Licht brachte, dass die in Fairtrade-Koopera-tiven zusammengeschlossenen Kakaofarmer der Elfenbeinküste und Ghanas mehrheitlich unter der Armutsgrenze leben. Nur gerade acht Rappen vom Verkaufspreis einer «fairen» Schoggitafel, die im Laden rund ein bis drei Franken kostet, gehen an sie.

Trotz Fairtrade bitterarm

Patricio Frei, Sprecher von Max Havelaar, erklärt: «Wir haben das Problem erkannt und 2018 eine Studie durchgeführt.» Die Konsequenz daraus: Fairtrade hat Ende 2019 den Mindestpreis für die Kakaobauern von 2000 Dollar pro Tonne um 20 Prozent angehoben, ebenso die Fairtrade-Prämie, die zusätzlich zum Verkaufspreis bezahlt wird. 

Für Friedel Hütz-Adams war dies überfällig: «Nur ganz selten wurde den Bauern mehr als der Mindestpreis auf dem Weltmarkt bezahlt.» Der Kakaoexperte des Bonner Instituts Südwind hat nachgerechnet: Um alle Kosten zu decken, seien für die Kakaobauern Westafrikas 3000 Dollar notwendig. Nach Abzug von Steuern, Transport- und Lagerkosten fehlen 1000 Dollar und damit für viele Familien die dritte Mahlzeit am Tag auf dem Tisch. «Eine geringfügige Anhebung des Preises würde im Laden sogar ein Sozialhilfeempfänger bezahlen können.»

Hütz-Adams sieht noch ein an-deres Problem: Nur 30 Prozent des zertifizierten Fairtrade-Kakaos gelangen in den Handel. 70 Prozent verkaufen die Bauern zum Weltmarktpreis, ohne Mindestpreis und ohne Fairtrade-Prämie. «So wirkt sich Fairtrade kaum auf das bäuerliche Grundeinkommen aus.»

Patricio Frei nennt eine andere Zahl: Mittlerweile seien es 43 Prozent, die zu Fairtrade-Bedingungen verkauft würden. «Aber auch das ist zu wenig», ist sich der Max-Havelaar-Sprecher bewusst. Beim Kakaoanbau in Westafrika schlage negativ zu Buche, dass die Parzellen der Bauern für die Existenzsicherung zu klein seien. «Bei anderen Produkten und in anderen Regionen haben wir grosse Fortschritte in der Armutsbekämpfung gemacht.»

Die Nüsse selbst verarbeiten

Schulung in Landwirtschaft sowie neue Baumkulturen führten mittelfristig zu grösserer Effizienz. Warum aber nicht den Mindestpreis auf die existenzsichernde Marke von 3000 Dollar anheben? «Dann werden viele Konsumenten zur ungelabelten Billigschokolade greifen, und die Nachfrage nach Fairtrade--Kakao sinkt noch tiefer», so Frei. 

Gebana hat den Zwischenhandel ausgeschaltet und sein Konzept weiterentwickelt. Im Anbauland soll mehr Wertschöpfung verbleiben. So engagiert sich der Online-Händler in Burkina Faso, einem der ärmsten Länder der Welt. Hier liefern nicht nur 2800 Bauern Cashewnüsse; 670 Beschäftige knacken, reinigen und sortieren sie. Früher machten die Nüsse zuerst eine Reise nach Viet-nam, um von dort verpackt den Rückweg nach Europa anzutreten. Und nun investiert Gebana weiter. Mit einem der grössten Schweizer Crowdfunding-Projekte soll die Fabrik vergrössert werden, und 1000 zusätzliche Arbeitsplätze stehen in Aussicht. Delf Bucher