Frau Eglin, Sie praktizieren Handauflegen, sind auf dem Gebiet der Heilung tätig. Was muss man sich darunter vorstellen?
Ich fasse Heilung sehr weit auf. Vielleicht stellt man sich unter Heilung etwas Spektakuläres vor, dass jemand von Krebs oder einer anderen schweren Krankheit geheilt wird. Dass man hier rausgeht und geheilt ist. Manche Menschen gehen davon aus, aber das ist ein wenig wundersüchtig. Die meisten Leute haben diese Erwartung aber nicht. Für mich ist Heilung ein Prozess. Beim Handauflegen öffnen wir - das heisst die behandelte Person und ich - uns für eine transzendente Dimension, die über das Zwischenmenschliche hinausgeht. Durch diese Öffnung für eine heilende göttliche Kraft kann ein Impuls für einen Heilungsprozess gesetzt werden.
Mit welchen Problemen suchen Menschen Sie auf?
Zu mir kommen meistens Leute mit körperlichen Anliegen, einige mit seelischen. Sie sind beispielsweise erschöpft, von Ängsten bedrückt oder in einer krisenhaften Lebenssituation, die eine Entscheidung erfordert. Der Heilungsimpuls kann auf drei verschiedene Ebenen aufgenommen werden: Es kann eine körperliche Verbesserung eintreten, meistens nicht schon nach einem Mal. Häufig ist eine Wirkung auf psychischer Ebene zu beobachten; Handauflegen ist eine intensive Form von Zuwendung, wodurch Menschen sich geborgen und aufgehoben erleben. Oft schildern Leute auch Erfahrungen auf spiritueller Ebene: Sie sagen etwa, dass sie wieder einen Zugang zu ihrem Urgefühl gefunden haben. Man könnte das so interpretieren, dass sie Zugang zu ihren inneren Ressourcen, psychisch oder spirituell, gefunden haben. Das ist natürlich heilend.
Wo stehen Sie damit theologisch?
Ich verstehe mich in der heilenden Tradition der Kirche. Sie stützt sich auf die biblischen Grundlagen von Heilen und Handauflegen, wie es Jesus, die Apostel und viele andere praktiziert haben. In den christlichen Gemeinden wurde das Handauflegen über Jahrhunderte weitergepflegt. Es wurde sogar als Christenpflicht aufgefasst, Kranken die Hände aufzulegen und um die heilende Kraft Gottes zu bitten. Luther hat es empfohlen, es ist also auch reformatorisch abgestützt. Die heilende Kraft verstehe ich als Segenskraft, das Handauflegen als Spezialform des Segnens, eine Ausweitung des Segensrituals.
Zählt Ihre Form des Heilens zu den charismatischen Heilungsdiensten?
Nein. Es gibt drei verschiedene Modelle, auf die sich Heilungsdienste stützen: Eines ist das charismatische. Es geht davon aus, dass Heilung an eine besondere Begabung geknüpft ist, die nicht allen Menschen eigen ist. Biblische Grundlage für dieses Modell ist 1. Korinther 12. Ich dagegen stütze mich auf Markus 16, 17-18: «Denen aber, die zum Glauben kommen, werden diese Zeichen folgen: … Kranke, denen sie die Hände auflegen, werden gesund werden.» Unter dieser Verheissung stehen alle Menschen, die zum Glauben kommen. Das dritte Modell ist das Amtsträgermodell gemäss dem fünften Kapitel des Jakobusbriefs, das die Heilungsbefähigung den Gemeindeältesten zuweist.