«Ich fühle in mir etwas, das da nicht hingehört.» So oder ähnlich sprechen Menschen, wenn sie die Notfallnummer des Seelsorge-zentrums Hese-kiel anrufen. Manchmal vermuten sie auch in einer körperlichen Krankheit eine «Besetzung» durch das Böse. Im Korps Zürich-Oberland der Heilsarmee sind 35 Seelsorgende damit betraut, Menschen, die sich von unreinen Geistern bedrängt fühlen, zu helfen. Die Nachfrage des freikirchlichen Angebotes ist hoch. Beat Schulthess, Korpsoffizier im Seelsorgezentrum Hesekiel, spricht von 11 500 Seelsorgestunden, die er und sein Team jährlich leisten.
Helfen ohne Ritual
Befreiungsdienst nennt sich das, was Schulthess macht. Anders als auf katholischer Seite haben die evangelischen Geistaustreiber kein Ritual und keinen festgelegten Ablauf: «Wir gehen individuell vor, schauen, was die Person braucht.» Denn bevor jemand von einem Geist befreit werden könne, müsse erst einmal feststehen, dass überhaupt einer im Spiel sei. Und nicht eine psychiatrische Erkrankung vorliege. Deshalb klären die Seelsorgenden in einem Erstgespräch ab, ob die hilfesuchende Person bereits psychiatrisch behandelt wird und Medikamente nimmt. Schliesslich muss der Hilfesuchende auch noch einwilligen, dass er mit der Seelsorgeform, die Schuthess anbietet, einverstanden ist.
Dieses umsichtige Vorgehen begrüsst der Religionsexperte Georg-Otto Schmid. Er weiss, dass schweizweit Geistaustreibungen populär, aber unterschiedlich seriös sind. «Geister auszutreiben, ist keine ungefährliche Praxis.» Trotz aller Aufgeklärtheit haben gemäss Schmid sogenannte Ghost-Hunter, die mit technischem Gerät angebliches Vorkommen von Geistern in Häusern nachweisen, oder neoschamanische Praktiken auch unter Atheisten Konjunktur. Der Glaube an böse Geister und Besessenheit hingegen sei ein typisches Merkmal einer pfingstlich-charismatischen Theologie. In traditionell protestantischer Sicht können Christen nicht von Geistern besessen sein, und das liberale Christentum lehnt die Vorstellung von Dämonen im Grundsatz ab. «Den Geisterglauben sollte man relativieren und vielmehr die Probleme angehen, die oftmals dahinterstecken», sagt Schmid.