Ta-ta-ta taaa! Wer kennt es nicht, das musikalische Motiv, mit dem sich ein dräuendes Schicksal gleich zu Beginn der fünften Sinfonie wuchtig ankündigt? Ludwig van Beethoven, dessen 250. Geburtstag im Jahr 2020 begangen wird, ist einer jener Komponisten, die sich dem kollektiven Gedächtnis besonders tief eingeprägt haben. Zunächst seiner Musik wegen, die an Prägnanz, Tiefgang und musikgeschichtlicher Wirkung ihresgleichen sucht. Aber auch, weil er als Person fasziniert. Noch heute weiss sozusagen jedes Kind: Beethoven, das war der gehörlose Musiker.
Auch sonst haftet diesem Kulturheroen so einiges Romanhafte an, sein Hörrohr, seine Wutausbrüche, seine Respektlosigkeit gegenüber adligen Gönnern, seine unglücklichen Liebesgeschichten, die häusliche Misere in seiner Wahlheimat Wien, seine Sittenstrenge und sein polternder Humor. Aber wie hatte er es eigentlich mit der Religion?
Theatralisch und ironisch
Überliefert ist zunächst einmal Anekdotisches. Eine Episode berichtet von der Begegnung Beethovens mit dem Jesuitenpater Maximilian Stadler. Beethoven sei vor dem Geistlichen theatralisch auf die Knie gesunken und habe um dessen Segen gebeten. Stadler habe der Bitte augenzwinkernd entsprochen, worauf ihm Beethoven in ebenfalls gespieltem Überschwang die Hände geküsst habe. Seinem Bruder Johann empfahl er in einem Brief spöttelnd: «Lies alle Tage das Evangelium, führe Dir die Episteln Petri und Pauli zu Gemüte, reise nach Rom und küsse dem Papst den Pantoffel.» Sogar auf dem Totenbett soll er ironisch applaudiert haben, als ihm der Priester das Sterbesakrament gespendet hatte.
Solche Müsterchen belegen allerdings nur, dass der Katholik Beethoven zu den katholischen Autoritäten ein gespanntes Verhältnis hatte. Über seinen eigentlichen Glauben sagt dies nichts.
War Beethoven gläubig? Zweifel kommen auf, wenn man liest, dass er in Jesus nicht den Messias, sondern einfach «einen gekreuzigten Juden» sah, der ihm wie Sokrates zum Vorbild im Leiden wurde. Für den gläubigen und erzkatholischen Altmeister Joseph Haydn, der den jungen, frisch nach Wien gezogenen Beethoven zeitweise in Kompositionslehre unterrichtete, gab es keinen Zweifel: Sein begnadeter Schüler war Atheist.
Und doch. Seine beste Komposition sei die Missa Solemnis, antwortete Beethoven einmal auf eine entsprechende Frage. Ausgerechnet seine grosse Messe, die von tief empfundener Religiosität durchdrungen ist. Wer solches komponiert, muss doch auch glauben, was er da in Töne setzt, zumindest ein bisschen. Oder etwa nicht?
In der Tat entwickelte sich der demokratisch und revolutionär gesinnte Freigeist Beethoven im Lauf der Jahre zu einem in spirituellen Fragen höchst interessierten Menschen. Ungefähr ab 1800, mit Beginn seiner Ertaubung, lässt sich bei ihm eine vermehrte Hinwendung zu religiösen Fragen feststellen. «Die Worte ‹Gott› und ‹Gottheit› oder ‹der Allerhöchste› erscheinen nun deutlich häufiger in den Briefen und Tagebüchern», schreibt der Kunsthistoriker Malte Lohmann in einem Aufsatz. Dabei habe sich Beethoven nicht nur für die christlichen Konfessionen, sondern ebenso für Naturreligionen und östliche Glaubensbekenntnisse interessiert.
Vieles bleibt im Dunkeln
«Wenn Beethoven die ‹Gottheit› anruft, dann steht dahinter mithin ein universales Gottesbild, erwachsen aus einer überaus individuellen Religiosität, die Gottesglaube, Naturverehrung und aufklärerische Ideale zu verbinden sucht», fasst es Lohmann zusammen. Und der bekannte Dirigent Nicolas Harnoncourt formuliert es im Begleittext zu seiner «Missa»-Einspielung von 1992 so: «Wir wissen sehr wenig über die Frömmigkeit Beethovens. Er hat ein grosses Vertrauen und eine fast kindliche Liebe zu Gott geäussert. Wie sehr das kirchlich war, kann man nicht erkennen.»
Möglich wärs, dass er kirchliche Rituale ernster nahm, als man meinen möchte. In seinem berühmten Kanon «Signor Abate» ruft der kranke Musiker nach dem Geistlichen. Er erbittet von ihm den Segen, diesmal frei von Ironie. Und macht beim Padre, schon wieder derb, in der Schlusszeile Druck: «Heiliger Vater, geben Sie mir den Segen – hol’ Sie der Teufel, wenn Sie nicht kommen!»