Zusammen den Himmel ertanzen

Demenz

Party machen zu Musik aus der Jugendzeit: In Josefinas Tanzcafé schwingen Demenzkranke alle zwei Monate das Tanzbein. Die Initianten Beat und Esther Berger suchen eine Nachfolge. 

Die Lifttür geht auf im ersten Stock des reformierten Kirchgemeindehauses in Gossau im Zürcher Oberland. Begleitet von ihrer Betreuerin treten vier betagte Frauen heraus, zwei von ihnen stützen sich auf Rollatoren. «Grüezi mitenand, schön, seid ihr hier», begrüsst die Gastgeberin Esther Berger das Grüppchen am Eingang mit fröhlicher Stimme.

Alle sind willkommen

Mit der Betreuerin führt sie die Seniorinnen zu den Stühlen, hilft wo nötig beim Ausziehen der Mäntel und beim Hinsetzen, hat für alle ein herzliches Wort. Café crème wird serviert. Am DJ-Pult legt Esther Bergers Mann Beat zur Einstimmung «Das muss ein Stück vom Himmel sein» auf, Peter Alexander singt ab Langspielplatte in der Originalaufnahme von 1965. 

Tatsächlich: Ein Stück vom Himmel erschafft das Ehepaar Berger mit seinen Helferinnen und Helfern in den folgenden zwei Stunden. Als sie noch in der Alterspflege arbeitete, habe sie oft erlebt, wie die Nase gerümpft worden sei, wenn sie mit einer Gruppe Demenzkranker in einem Restaurant etwas trinken gehen wollte, erzählt Esther Berger: «Es war mir ein Anliegen, nach meiner Pension etwas im öffentlichen Raum anzubieten, das mir selbst und anderen Freude macht.» 

Josefinas Tanzcafé war geboren. Ein Ort, wo alle willkommen sind, besonders auch Menschen mit Demenz oder im Rollstuhl. In den vergangenen acht Jahren wurden die Tanznachmittage zu einer beliebten Angebot in Zürich-Oberstrass, Gossau und Rüti. Aus Alterszentren kommen Gruppen mit unterschiedlich vielen Leuten an die Veranstaltungen, heute vom Wohnheim Erspel in Bubikon und aus Männedorf. 

Ein Lächeln im Gesicht

Sie habe nach dem Mittagessen gefragt, wer z’Tanz wolle, sagt Sonja Gafner, Pflegefachfrau im Erspel. Ihre vier Schützlinge brauchen noch ein bisschen Zeit, bis sie sich auf die Tanzfläche getrauen. «Habe Hemmungen», sagt Frau Kessler unverblümt, aber mit aufrechter Haltung, «man wird müde.» 

Inzwischen ist bereits einiges los auf dem Parkett. Esther und Beat Berger wirbeln oder tänzeln sachte mit wechselnden Partnern durch den Saal. «Wir sind Schwofer, leidenschaftliche Tänzer», sagt Esther Berger. Und auch Max und Agnete Meili, ein mit Bergers befreundetes Ehepaar, fungieren als Taxitänzer und bitten die Seniorinnen galant zum Tanz. «Eigentlich bin ich eher zurückhaltend, aber hier macht es mir nichts aus, auf die Leute zuzugehen», erklärt die 79-jährige Agnete, die auch Frauen auffordert. 

Nicht alle wollen. Die meisten beginnen aber zu strahlen, sobald sie sich zum Rhythmus der Musik durch den Raum bewegen. Obwohl manchmal kaum mehr als sanftes Schunkeln in der Umarmung geht. 

Sacht und behutsam

Jetzt ist auch Frau Kessler in Tanzlaune. Sie wippt mit den Füssen und singt mit: «Das chunnt öis spanisch vor». Schliesslich wagt sie mit Betreuerin Sonja Gafner das erste Tänzchen, ganz sachte und behutsam. Bald schon freuen sich beide unbändig, mit wie viel Schwung sie zusammen unterwegs sind. 

Tanzen macht glücklich: die demenzkranken Menschen, ihre Betreuerinnen, die übrigen Besucherinnen, das Ehepaar Berger sowieso. Die 76-jährige Lisbeth aus Gossau, die mit einer Freundin gekommen ist, bedankt sich beim ganzen Team: «Ich liebe es, ich liebe die Leute hier, es trägt mich. Ich fühle mich 50 Jahre zurückversetzt.» 

So wünschen sich Bergers, dass ihre Arbeit fortgesetzt wird. Nach neun Jahren Josefinas Tanzcafé denken sie ans Aufhören und suchen eine Nachfolge. 

Tanzen mit Demenz in Josefinas Tanzcafé

An Demenz erkrankte Menschen überraschen immer wieder, wenn sie trotz fortgeschrittener  Krankheit ein altbekanntes Lied oder einen Schlager von der ersten bis zur letzten Strophe mitsingen. Musik erreicht sie über Gefühle, die Ressource, welche am längsten erhalten bleibt. Auch die Bewegungsfähigkeit bleibt bei vielen Erkrankten sehr lange intakt. Tanzen und sich zu Musik bewegen ist deshalb oft eine Quelle der Freude.

Das Tanzcafé bietet den Erkrankten und ihren Betreuenden einen Ort zum Sich-Wohlfühlen, etwas fürs Gemüt. Ein paar Stunden, in welchen Defizite in den Hintergrund rücken und Geselligkeit und Freude im Vordergrund stehen. Für pflegende Angehörige und Betreuende ist es zudem entlastend, mit Menschen in gleicher Situation zusammen zu kommen.

Josefinas Tanzcafé richtet sich deshalb an Menschen mit Demenz, ihre Angehörigen, Partnerinnen, Partner, Töchter, Söhne, Enkelkinder, aber auch an Pflegende und betreuende Personen, Freunde, Interessierte und an alle Tanzfreudigen.

Nächste Daten: 

17. Feb: 2025: Amtshaus Rüti, Amtshofstrasse 4, 8630 Rüti 

21. Feb: 2025: Kirchgemeindehaus Oberstrass, Winterthurerstrasse 25, Zürich

25. Feb. 2025: Reformiertes Kirchgemeindehaus, Bergstrasse 31, 8025 Gossau ZH

jeweils von 14.30 bis 15.30 Uhr

Um Unterstützung bei der Organisation und Kostenübernahme des Transports zu erhalten, können sich Institutionen bei Beat und Esther Berg melden. 

www.tanz-cafe.ch