Seelsorgerin auf hoher See
Regelmässig ist Susanne Ortmann auf einem Kreuzfahrtschiff für Kost und Logis als Bordseelsorgerin tätig. Sie schätzt die Begegnungen mit den Gästen an Bord.
usanne Ortmann ist es ein Anliegen, anderen Menschen zu helfen. Foto: Tobias Ortmann

Susanne Ortmann geniesst alle zweiJahre das Abenteuer auf hoher See. Bereits seit 2010 amtet sie als Bordseelsorgerin. Auf dem Festland arbeitet sie als Pfarrerin von Mesolcina/Calanca in Grono. Der Ort grenzt im Osten an Italien und im Westen an Santa Maria und Castaneda, unweit der Grenze zum Tessin.
Von Ende April bis Mitte Mai war Susanne Ortmann auf der MS Artania im Einsatz, welche die Kulisse für die ARD-Serie «Verrückt nach Meer» liefert. Die Artania beherbergt 1260 Passagiere, 500 Crewmitglieder sind um das Wohl der Gäste besorgt.
Das Schiff gehört zur Flotte des Veranstalters Phoenix Reisen, der seit dem Einstieg ins Kreuzfahrtgeschäft 1988 Bordseelsorger auf seinen Schiffen beschäftigt. Die Rekrutierung der Seelsorgerinnen und Seelsorger läuft über die Evangelische Kirche Deutschland (EKD).
Diesmal führte die Route von Triest über Kroatien, Montenegro, Sizilien, Sardinien, durch die Strasse von Gibraltar nach England, Amsterdam und Bremerhaven. Neben Reiseeindrücken von springenden Delfinen, Landschaften und kulturellen Highlights bringt Ortmann einen reichen Schatz an eindrücklichen Begegnungen mit nach Hause.
24 Stunden im Einsatz
Als Seelsorgerin ist Ortmann Teil des Künstlerensembles, wobei sie als Einzige 24 Stunden im Einsatz ist. An Seetagen finden täglich Andachten oder auch Gottesdienste statt. Alle paar Wochen wechseln sich jeweils die katholischen und evangelischen Feiern ab. Für die Besatzung, die grösstenteils von den Philippinen und aus Kambodscha stammt, hält Ortmann den Gottesdienst auf Englisch ab. An Bord sucht sie das Gespräch mit den Gästen. Oft setzt sie sich spontan zu ihnen an den Tisch. Sie begleitet auch die Landausflüge mit 30 bis 40 Gästen. «Insbesondere Alleinstehende, die ihren Ehepartner verloren haben oder die letzte Reise vor dem Eintritt in ein Altersheim gebucht haben, erzählen mir von ihren Sorgen», sagt Ortmann.
In den Seelsorgegesprächen berichten die Menschen von Eheproblemen, Suiziden nahestehender Personen oder Dingen, die sie im Beruf belasten. Auf der Reise dabei ist Ortmanns Ehemann Gabriele, was bei den Gästen gut ankomme, sagt die Pfarrerin. Träten sie als Ehepaar auf, sinke die Hemmschwelle, das Gespräch zu suchen.
Als sie 2008 ihren Mann kennenlernte, war sie noch Pfarrerin der bayerischen Landeskirche in Kempten im Allgäu. Da ihr Mann nur italienisch spricht, entschloss sich Susanne Ortmann 2015, in seine Nähe ziehen: «Eine Entscheidung, die ich bis heute nicht bereue.» Der Schritt war durchaus ein Wagnis, doch sie und ihre zwei erwachsenen Söhne waren bereit, in der Schweiz ein neues Leben zu beginnen. Als ihre Kinder noch zur Schule gingen, arbeitete Susanne Ortmann zwölf Jahre lang Vollzeit als Gymnasiallehrerin. «Als ich sah, wie faul meine Kinder in der Schule waren, entschloss ich mich, noch Gymnasiallehrerin zu werden», sagt sie und lacht. Zeitweilig war sie an jener Schule beschäftigt, die ihre Söhne besuchten.
Kreuzfahrt statt Altersheim
Die Leidenschaft fürs Unterrichten ist geblieben. Heute ist Ortmann mit einem Pensum von 50 Prozent an der Oberstufenschule Zillis tätig, wo sie Deutsch, Englisch, Italienisch sowie Geschichte und Geografie unterrichtet. Die anderen 50 Prozent ist sie als Pfarrerin im Einsatz. «Mir macht es Freude, zugleich Lehrerin und Pfarrerin zu sein, wobei Pfarrerin meine Berufung ist», meint Ortmann, die mit ihrer lebendigen Art zu erzählen und ihrer Begeisterungsfähigkeit die Leute schnell für sich zu gewinnen weiss.
«Mein Antrieb war es immer, anderen zu helfen», so Ortmann, die in einer evangelisch geprägten Familie aufwuchs. Die Mutter studierte Theologie, der Vater war Leiter der Diakonie und nahm die Tochter oft mit in Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigung.
Nach einer eindrücklichen Begegnung auf einem Kreuzfahrtschiff gefragt, erzählt sie von einem Mann, der aus der Kirche ausgetreten sei. In langen Gesprächen habe er von der ungerechten Behandlung erzählt, die ihm durch kirchliche Institutionen widerfahren sei. Er habe an ihren Gottesdiensten teilgenommen und am Ende der Reise wieder zu Gott gefunden. In Erinnerung geblieben ist ihr auch eine ältere Dame, die auf dem Schiff lebt, weil es für sie günstiger und angenehmer ist als das Altersheim. Mit vielen hat sie weiterhin Kontak