Das Wesen der reformierten Kirche

Kirchengeschichte

Der Theologieprofessor Konrad Schmid schreibt das Buch seines Grossvaters fort und zeichnet ein präzises Bild der reformierten Kirche.

Als Konrad Schmid gegen Ende seines Theologiestudiums die Kirchenkunde seines Grossvaters Gotthard las, war er begeistert. Inzwischen ist er Professor für Altes Testament an der Universität Zürich. Die Begeisterung ist geblieben. Sie war gar so gross, dass Schmid das vergriffene Porträt der reformierten Landeskirche des Kantons Zürich nun nicht einfach nur neu auflegte, sondern überarbeitete und fortschrieb.

Liberales Profil

Entstanden ist ein Werk, das Geschichte und Aufbau der Zürcher Kirche erklärt und tatsächlich begeistert durch eine präzise Sprache und die gelungene Verbindung zwischen dem Aufbau, den der liberale Pfarrer Gotthard Schmid 1954 vorgab, und den Aktualisierungen, die sein Enkel eingefügt hat. Darin zeigen sich Konstanten und Veränderungen in der jüngeren Zürcher Kirchengeschichte exemplarisch.

Gewandelt hat sich in den 70 Jahren insbesondere das gesellschaftliche Umfeld, in dem sich die reformierte Kirche bewegt. Als Gotthard Schmid, der in Birmensdorf, Oberwinterthur, Oerlikon und am Zürcher St. Peter Pfarrer war, seine Kirchenkunde verfasste, gehörten noch rund 70 Prozent der Bevölkerung im Kanton Zürich der reformierten Kirche an, 25 Prozent waren katholisch. Inzwischen ist der Bevölkerungsanteil bei beiden Kirchen unter die Marke von 30 Prozent gesunken.

Das wahre Bekenntnis

Definierte sein Grossvater die reformierte Kirche auch in zuweilen schroffer Abgrenzung zur römisch-katholischen Kirche, so hat Konrad Schmid in seiner Überarbeitung die konfessionellen Spitzen geglättet. Schliesslich hat sich die katholische Kirche in den vergangenen Jahrzehnten bewegt, und viele Projekte werden von den beiden Landeskirchen gemeinsam getragen.

Unterschiede zwischen den Konfessionen werden damit freilich nicht verwischt. Vielmehr tritt der eigene Wesenskern noch präziser hervor: «Die Zürcher Kirche kennt nur einen Massstab des Glaubens und nur eine Richtschnur christlichen Lebens, das Evangelium.»

Ermutigende Definition

Die Bekenntnisse der Alten Kirche und der Reformation seien zwar wichtig, jedoch verpflichte sich die Kirche «allein auf das Evangelium». Somit sind sichtbare Erscheinungsformen der Kirche, ihre Strukturen, Traditionen und Ämter immer nur als Mittel für den Dienst am Evangelium zu verstehen und entsprechend an ihre Zeit gebunden.

Die treffende Definition enthält den Auftrag, die eigene Verfasstheit immer wieder darauf zu prüfen, ob sie dem Auftrag, das Evangelium zu verkünden, gerecht wird, und zugleich eine durchaus ermutigende Botschaft: «Man kann eine Kirche beurteilen nach der Zahl ihrer Glieder oder nach dem Mass der Macht, die sie ausübt. Letztlich gilt in reformierter Perspektive aber nur, ob und wie eine Kirche das Evangelium in der Welt vertritt.»

Gotthard Schmid, Konrad Schmid: Die evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich. Eine historische Kirchenkunde. TVZ, 2023, 496 Seiten