Recherche 28. Juni 2022, von Constanze Broelemann

Heisse Eisen und frittierte Bananen

Jugend

Junge Menschen aus aller Welt tauschten sich im Rahmen der Davoser Missionssynode aus. Eine intensive interkulturelle Begegnung.

Ich mag die Architektur der Kirchen hier. Obwohl ich nichts verstehe, wirken sie wie heilige Orte auf mich.
Blessy Tangel, Jugendbotschafterin aus Indonesien

«Kultur ist für mich Einheit in Vielfalt», sagt Blessy Tangel. Während sie diesen Satz sagt, sitzt die 21-jährige Indonesierin an einem Hotspot kulturellen Lebens in Davos, auf einer Gartenbank auf der Schatzalp. Einzig das kalte Wetter macht der jungen Frau aus Jakarta Mühe: «Wie kalt es hier ist, war für mich der eigentliche Kulturschock», sagt sie. Neben ihr sitzt Fabio Greiner, 27-jährig aus der Schweiz. Die beiden verbindet, dass sie Jugendbotschafterin und -botschafter ihrer jeweiligen Länder sind.
Über das Netzwerk von Mission 21 «young@mission21» für junge Erwachsene trafen sich die beiden und mit ihnen insgesamt 28 Jugendliche aus aller Welt für zwei Wochen in der Schweiz. «Ich mag die Architektur der Kirchen hier. Obwohl ich kein Wort verstehe, wirken sie wie heilige Orte auf mich», sagt Blessy, die auf ihrer Reise unter anderem fünf Kirchen in Graubünden besucht hat. Verwundert hingegen ist sie über die wenigen Jugendlichen, die hier gemeinsam Gottesdienst feiern. In ihrer Heimat sei das anders: «Wir sind sonntags 200 Menschen in der Kirche.» In Indonesien sind Christinnen und Christen eine von vielen Religionen und dazu eine Minderheit. Toleranz untereinander ist ein grosses Thema, das gepflegt wird. Blessys Mutter ist Pastorin: «Bei uns zu Hause sind fast alle Geistlichen weiblich», sagt sie.  

Im September nach Jakarta
Fabio, der bereits mit Blessy Freundschaft geschlossen hat, hofft, sie im September in Jakarta wiederzusehen. Denn dann wird der Basler mit vier weiteren jungen Menschen aus der Schweiz nach Indonesien reisen. «Als Erstes esse ich dort ein paar frittierte Bananen», ist er sich sicher. Das Dessert gebe es überall dort, sagt Blessy. «Mich hat das Austauschprogramm gereizt, weil ich ins Ausland gehen kann und zugleich eine andere Kultur kennenlerne», sagt Fabio. Bereits nach der Matur war der ehemalige Theologiestudent für zehn Monate im afrikanischen Tschad: «Es ist toll, Menschen zu treffen, die ganz anders leben als ich.»

Heisse Eisen anfassen
Er ist begeistert vom offenen Austausch mit Menschen aus Bolivien, Südkorea, Ghana, Malaysia, Kamerun und Costa Rica. «Ich kann mein Land und meine Stadt aus den Augen der anderen sehen», sagt er und erzählt von Begebenheiten aus dem gemeinsamen Alltag. Das Fehlen öffentlicher Waschsalons in Basel war zum Beispiel für die Gäste aus dem Ausland sehr verwunderlich, sind sie es doch gewohnt, schnell dort ihre Wäsche waschen zu können. Auch von Heizdecken hatten sie zuvor noch nie gehört. Neben dem Wahrnehmen von Unterschieden ist es aber vor allem der «transkulturelle Transfer», der beim Jugendprogramm von Mission 21 ge-
fördert wird. Programmkoordinatorin Barbara Grass erklärt, was das bedeutet: «Aus unseren Unterschieden, die wir wahrnehmen, machen wir gemeinsam etwas Neues. Wir erwerben interkulturelle Kompetenzen, die Generalismen wie ‹Alle Schweizer sind pünktlich› vermeiden wollen.»
«Die Jugendlichen haben die Möglichkeit, das Erlebte in Workshops zu reflektieren», sagt Grass. Und: «Burning issues», also heisse Eisen, in Kirche und Gesellschaft werden untereinander diskutiert und ausgetauscht. Wie verhält sich deine Kirche gegenüber LGBT-Personen? Was sagt sie zum Klimawandel? Was zur Ernährungssouveränität? Dabei taucht Vorhersehbares, aber auch sehr Überraschendes auf. «Gender ist bei uns ein kleineres Thema als der Umgang mit älteren Menschen», erzählt Blessy. In Indonesien sprechen wir ältere Menschen mit «Ma’am», also sehr höflich, an. «Daran musst du mich erinnern, wenn ich nach Jakarta komme», wirft Fabio rasch ein.

Zukünftige Friedensmacher
Während in Europa und der Schweiz die Überalterung der Gesellschaft das Problem sein wird, sind in Indonesien bald 75 Prozent der Wählerinnen und Wähler jung. «Genau andersherum», sagt Fabio Greiner. Bald wird er selbst erleben, wie Menschen in Indonesien leben.
Das Leben für eine gewisse Zeit so nah und intensiv zu teilen, hat auch Barbara Grass sehr bereichert. Die Koordinatorin sagt: «Diese jungen Leute sind die Friedensmacher von morgen.»