Recherche 24. August 2020, von Eva Mell

Mit elf Jahren nahm das Leben eine jähe Wende

Krankheit

Magali Peter lebt mit Rasmussen-Enzephalitis, einer fortschreitenden Entzündung des Gehirns. Ihr Motto lässt sich die 15-Jährige aber nicht nehmen: Immer positiv denken.

Doch, meine Krankheit hat auch posi­tive Seiten», sagt Magali Peter schmunzelnd und zählt auf: «Ich traf die Schauspielerin Emma Watson und bin schon Helikopter geflogen.» Die 15-jährige Aarauerin blickt ihre Mutter an und fährt fort: «Das Blöde ist, dass ich vom Flug nichts mitbekommen habe. Aber unser Motto ist: positiv denken.»

Magali Peter leidet unter der seltenen Krankheit Rasmussen-Enzephalitis. Eine Entzündung befällt zunehmend ihre linke Gehirnhälfte. Dadurch hat Magali jeden Tag epileptische Anfälle und kann sich zeitweise nur im Rollstuhl fortbewegen, ihre rechte Hand nicht bewegen und kaum sprechen. Heute geht es ihr gut. Sie läuft gestützt von ihrer Mutter und erzählt bei Kaffee und Kuchen im Garten.

Es war keine Erkältung

Magali wischt sich durch Handy-Fotos, als ihr Auge plötzlich zuckt. Sie wirkt abwesend. «Das war ein epileptischer Anfall», erklärt ihre Mutter Marianne Peter. Schon ist er vorbei, und Magali zeigt das Foto mit Emma Watson, die in den Harry-Potter-Filmen mitspielte. Eine Stiftung, die Herzenswünsche schwerkranker Kinder und Jugendlicher erfüllt, machte das Treffen letztes Jahr möglich. Magali konzentriert sich auf schöne Erlebnisse, und schafft es, sie auch mit dramatischen Lebenslagen zu verbinden. Dazu gehört der Helikopterflug.

Sie war elf, als ihr Immunsystem plötzlich das Gehirn angriff. Die Spitalärzte dachten, sie sei erkältet, und empfahlen ein Erkältungsbad, also legte sich das Mädchen im Dezember 2016 in die Wanne. Die Mutter und der Bruder sortierten im Nebenzimmer Lego-Steine. Nach einer Weile schickte die Mutter den Bruder ins Bad: «Sag Magali, es reicht jetzt.» Als der Bub die Tür öffnete, lag seine Schwester auf dem Fussboden. Sie hatte in der Wanne einen epileptischen Anfall gehabt, war untergegangen und hatte es irgendwie geschafft, herauszusteigen. Mit dem Helikopter wurde das Mädchen ins Zürcher Kinderspital geflogen. «Irgendwie cool!», sagt Magali dazu.

 
Doch es gibt auch schwere Stunden. Ihre Situation verschlechtert sich, die Krankheit ist nicht heilbar. Magali würde am liebsten mit den Freundinnen in die Bezirksschule gehen, besucht aber eine Sonderschule. Letztes Jahr musste sie auf der Intensivstation beatmet werden. «Im Vergleich zur Magali mit elf Jahren ist es nun anders», sagt ihre Mutter und meint die Einschränkungen, mit denen ihre Tochter lebt. Das Mädchen reagiert empört: «Diese Magali ist hier!»
Welche Folgen die ständigen Angriffe auf ihr Gehirn noch haben werden, und ob, wie und wann die Krankheit ihr Leben beenden wird, darüber wollen Mutter und Tochter nicht spekulieren. Lieber planen sie die nächsten Besuche von Magalis Freundinnen. Zwei bis drei Mal im Jahr kommen sie zum Übernachten. «Dann bleiben wir lange auf», sagt Magali. «Wir spielen ‹Wahrheit oder Pflicht› und schauen Filme.»

Ballerinas zur Konfirmation

An diesem Sommertag freut sich Magali besonders auf ihre Konfirmation, die wegen der Corona-Pause auf Ende August verschoben wurde. Wann immer es ihr gut genug ging, besuchte sie den Unterricht. Warum war ihr die Konfzeit so wichtig? «Einerseits wegen der Geschenke», sagt Magali mit einem Augenzwinkern. «Andererseits, weil ich im Unterricht meine Freundinnen sehen konnte.» Und dann holt Magali das Outfit aus dem Schrank, in dem sie den Abschluss dieser besonderen Zeit feiern möchte: Ein blaues Kleid mit ein wenig Spitze verziert und silberfarbene Ballerinas. Ihre Augen leuchten.