Annes Vater, Otto Frank, der einzige Überlebende der Familie
Frank, hat im 1. Weltkrieg als Wehrmachtssoldat das Bundesverdienstkreuz
erworben. Trotzdem ist auch für ihn und seine Familie die Situation nach der
Machtergreifung der Nazis in Frankfurt zu unsicher und er emigriert wie viele
andere Juden 1933 nach Amsterdam. Um den Unterhalt seiner Familie zu sichern, gründet
er dort eine Firma, die Geliermittel für Konfitüren herstellte: Opekta. Anne besucht
in Amsterdam den Montessori-Kindergarten. Bis 1936 besucht sie
regelmässig ihre Schweizer Verwandtschaft und schreibt ihrer Grossmutter in
Basel viele Briefe.
Otto Franks Schwester Helene Elias-Frank war mit ihrer
Familie bereits 1929 nach Basel gezogen. Auch die beiden Grossmütter Annes
finden in Basel Zuflucht. Weil ihnen als Juden die Deutsche Staatsbürgerschaft
entzogen wurde und sie ab 1941 ohne Pass in der Schweiz als Staatenlose lebten,
drohte aber auch ihnen die Ausweisung. «Flüchtlinge nur aus Rassegründen, zum
Beispiel Juden, gelten nicht als politische Flüchtlinge», hiess es in einem
Kreisschreiben der Eidgenössichen Polizei vom August 1942. Bundesrat von Steiger
verteidigte die rigorose Haltung der geschlossenen Grenzen vor dem Parlament
mit den Worten: «Die Behörden haben die Pflicht ... den Zustrom in tragbaren
Grenzen zu halten.»
Die Situation in
Amsterdam war aber noch viel
gefährlicher. Nach der Besetzung 1940 hatten die deutschen Rassengesetze auch in den Niederlanden Gültigkeit, Juden
wurden verhaftet und deportiert. Die Franks zogen ins Hinterhaus, wo Anne den
grössten Teil ihres Tagebuchs schrieb. Sie hatte es
zum 13. Geburtstag erhalten und schrieb fast zwei Jahre daran. Wer die Familie verraten hat, ist bis heute Gegenstand wilder Spekulationen. Mit Gewissheit
herausfinden, wird man es wohl
nie, gab Martin Dreyfus,
Stiftungsrat des Anne-Frank-Fonds, an der Eröffnung zu bedenken. Tatsache ist: Die
Gestapo (Geheime Staatspolizei) bezahlte für Verrat.
Um die Bedeutung der aktuellen Ausstellung im Landesmuseum
herauszustreichen, zitierte Martin Dreyfus Otto Frank: «Was geschehen
ist, können wir nicht mehr ändern. Das Einzige, was wir tun können, ist, aus
der Vergangenheit zu lernen.» Es gelte zu erkennen, was die Diskriminierung
und Verfolgung unschuldiger Menschen anrichten könne. Dieses Credo sei auch
75 Jahre nach der Publikation des Tagebuchs aktuell: «Dafür steht das Tagebuch Anne Franks auch heute noch als Manifest».
Ausstellung: Anne Frank und die Schweiz, Landesmuseum bis 6.
November 2022