Eine Kirche abfackeln? An den altehrwürdigen Mauern Sprayereien anbringen? Den Abendmahlstisch mit okkulten Zeichen beschmieren? Ins Weihwasserbecken urinieren? Auf Krippenfiguren herumtrampeln? Solches kannte man bisher eigentlich nur von besonders verworfenen Protagonisten aus Film und Roman. Eine tief eingepflanzte kulturelle Hemmung liess die Menschen in der Realität davor Abstand nehmen, ihre Zerstörungswut auch an Kirchen auszuleben.
Das hat sich nun geändert. Seit rund zehn Jahren ist europaweit zu beobachten, dass die Hemmschwelle sinkt. In Frankreich etwa wird seit 2008 erfasst, wie viele Delikte sich gegen religiöse Stätten richten. In diesem Zeitraum habe sich die Zahl verdreifacht, auf landesweit jährlich rund 1000 Fälle in Kirchen und auf Friedhöfen, zitiert die BZ das französische Innenministerium. Meist handle die jugendliche Täterschaft nicht aus ideologischen Gründen, oft sei Alkohol im Spiel. Am stärksten betroffen sind katholische Kirchen, allein aufgrund ihrer grossen Zahl: 45'000 gibt es in Frankreich insgesamt, und jeden Tag werden zwei davon beschädigt.
Ideologische Gründe?
Auch in Deutschland beobachtet man das relativ neue Phänomen mit Besorgnis. Laut Katholischer Nachrichtenagentur weist die Statistik seit 2010 jedes Jahr mindestens 2000 Fälle aus. Betroffen sind nebst katholischen auch evangelische Kirchen wie etwa die Leipziger Thomaskirche, wo in der letzten Silvesternacht 25 Scheiben eingeschlagen wurden. Jakob Koch, Kulturreferent der Deutschen Bischofskonferenz, äusserte sich Anfang Jahr in einem Gespräch auf Deutschlandfunk Kultur: Er sieht in diesen Akten der Zerstörung nicht alkoholbefeuerten Jugendvandalismus, sondern einen ideologisch motivierten Bildersturm. Das sei aus den übereinstimmenden Tatmustern zu erkennen: enthauptete Heiligen- und Christusstatuen, zu Boden geworfene Kruzifixe, eine Christus-Figur, der man mit einem Feuerzeug die Augen auskohlte, zudem Schmierereien mit Hakenkreuzen, satanistischen oder okkulten Symbolen.