«Das Gold zu rauben, ist oft einfacher, als es zu finden»

Gold

Der Historiker Bernd-Stefan Grewe forscht intensiv zu Gold. Er er­klärt, warum es in vielen Religionen präsent und wie die Suche danach mit der Kolonialgeschichte verwoben ist.

Sie haben die Spur des Goldes durch die Weltgeschichte verfolgt. Mögen Sie persönlich Gold?

Bernd-Stefan Grewe: Ich werde oft gefragt, ob ich Gold besitze. Ich trage tatsächlich ein paar Gramm am Finger: meinen Ehering. Und meine Eltern haben mir eine Krügerrand-Münze zum Abschluss des Buches geschenkt. Ansonsten lässt Gold mich ziemlich kalt.

Ist Gold von Anfang an mit Ausbeutung und Krieg verbunden? 

Wie die frühesten bekannten Goldminen um 3000 v. Chr. in Georgien organisiert waren, weiss man nicht. Das gilt auch für das alte Ägypten. Ob am Oberlauf des Nils Sklaven oder freie Menschen arbeiteten, kön­nen wir nicht sagen. Spätestens seit der Antike aber war der Goldabbau meist mit Sklaverei verbunden. Für die iberischen und walisischen Gold­minen ist das jedenfalls belegt.

Schlimme Ausmasse hat die Goldgier nach der Entdeckung Amerikas angenommen.

Kolumbus suchte kein Gold, sondern einen neuen Handelsweg nach Indien. In den ersten Begegnungen mit Indigenen in der Karibik fiel ihm aber deren Goldschmuck natürlich schon auf. Und in der Folge wurde Gold durchaus zu einem Antrieb der Conquista. Verarmte Adlige etwa, die sich nur aufs Kriegshandwerk verstanden, hofften auf neue Perspektiven und riskierten für mögliche Schätze alles.

Inwiefern?

Heute kann man sich nur mit Fantasie die Verzweiflung oder den Abenteuermut oder die Kombination aus beidem vorstellen, die diese Menschen antrieb. Vor der Abfahrt wurde ihnen oft die eigene Totenmesse gelesen. Der Hauptgrund für die Sklaverei in der Karibik und in Südamerika ist aber nicht die Gier nach Gold, sondern die nach Zucker.

Der transatlantische Sklavenhandel hat aber schon mit Gold zu tun.

Ja. Seine Ursprünge liegen in der Seefahrt nach Afrika. Es dauerte lange, bis der Seeweg um den Kontinent erschlossen war. Also gab es Stützpunkte an der Küste, wo Handel getrieben wurde. Die Portugiesen etwa verkauften gegen afrika­nisches Gold Menschen, die sie in Marokko gefangen genommen hatten. Darum hiess Ghana früher Gold­küste. Von dort aus entwickelte sich der atlantische Sklavenhandel mit afrikanischen Menschen.

Bernd-Stefan Grewe, 54

Bernd-Stefan Grewe, 54

Er ist Professor für Geschichte an der Universität Tübingen (D) und leitet dort das Institut für Geschichtsdidaktik und Public History. Einer seiner Schwerpunkte ist die Kolonialge­schich­te und die Erforschung von Stoffen wie Gold über die Jahrtausende. Sein Buch «Gold. Eine Weltgeschichte» erschien 2019 in der Reihe «C. H. Beck Wissen».

Foto: Sibylle Meissner

Wie ging es in der Neuen Welt weiter mit dem Gold?

Nachdem die Goldschätze der Azteken und Inkas geplündert waren, gingen die Spanier zur Raubgräberei über. In Kolumbien haben sie zahllose Gräber geschändet, in der Hoffnung, darin Gold zu finden. Die Raubgräberei ist fast so alt wie die Goldgewinnung, sie gab es schon vor 3000 Jahren in Ägypten.

Man findet Gold oder man raubt es?

Rauben ist oft einfacher, als Gold zu finden und abzubauen. Feldherren waren oft auf Schätze aus: Alexander der Grosse, Cäsar, Karl der Grosse. Auch in den Kreuzzügen ging es nicht nur ums Seelenheil. Insofern ist die Conquista, salopp gesagt, eine Fortsetzung lang geübter christlicher Praktiken. Bei Eroberern aus den Steppen Eurasiens, die in Indien einfielen, war es nicht anders.

Warum ist Gold derart gefragt? Es ist ja nicht das teuerste Metall.

Das hängt wohl mit der Materialität des Goldes zusammen. Es korrodiert nicht, verfärbt sich nicht, ist leicht zu bearbeiten für Kunstwerke. Sein Schimmer erinnert an die Gestirne. Schön dargestellt ist das in der berühmten Himmelsscheibe von Nebra aus der Bronzezeit. Die Nacht in Silber, der Tag in Gold. Gold bietet sich an als Symbol für Glanz und Ewigkeit. Und das wollen Dynastien und Religionen immer vermitteln. Ich kenne keine Welt­religion, in der Gold nicht eine Rolle spielt. Das Goldland Ofir im 1. Buch der Könige im Alten Testament in­spirierte übrigens die Spanier dazu, die Südseeinseln, die sie gerade nach Gold durchforsteten, Salomonen zu nennen.

Gold bietet sich an als Symbol für Glanz und Ewigkeit. Und das wollen Dynastien und Religionen immer vermitteln.

Welches Land hat heute die grössten Goldvorräte gebunkert?

Ganz klar die USA. Für das viele Gold, das nach dem Ersten Weltkrieg ins Land floss, wurde eigens das bekannte Fort Knox ausgebaut. Krieg kostet wahnsinnig viel. Die europäischen Staaten hatten sich tief verschuldet bei den USA. Für Rückzahlungen akzeptierten diese nur Dollar oder Gold. Auch die deut­schen Reparationen an die Kriegsparteien mussten in Gold bezahlt werden: 20 Milliarden Goldmark, über 7000 Tonnen Gold, waren es im Versailler Vertrag.

Heute wird immer noch viel in Gold investiert. Macht das Sinn?

Eigentlich nur dort, wo die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen prekär sind oder Gold als Sicherheit kulturell verankert ist. Der goldene Mitgiftschmuck von Frauen in Indien wird noch heute in Notzeiten gepfändet, um zum Beispiel bei Ernteausfällen trotzdem einen Kredit für den Kauf von Saatgut zu erhalten. In stabilen Verhältnissen gibt es bessere Rendite für andere Geldanlagen.

Weiss man, wie viel Gold noch abge­baut werden kann auf der Erde?

Die Menge an Gold, die neu erschlos­sen werden kann, ist beschränkt. Sie wird auf 50'000 Tonnen geschätzt. An die Bestände im Erdkern kommen wir ja nicht heran. Aber das Gold, das bereits da ist, verschwindet nicht einfach, es bleibt im Kreislauf. Schmuck, Elektronikbestandteile oder andere Gegenstände aus Gold werden immer wieder neu eingeschmolzen, umgearbeitet. Recycelt wird allerdings teils auch unter schlimmsten Bedingungen. In Indien habe ich Menschen getroffen, die Gold aus der Kanalisation waschen und dabei ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, um ihre Familien durchzubringen.

In Indien habe ich Menschen getroffen, die Gold aus der Kanalisation waschen und dabei ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, um ihre Familien durchzubringen.

Geschieht dies öffentlich?

Nein, es dauerte, bis ich entsprechende Kontakte herstellen konnte und Männer bei ihrer Goldsuche begleiten durfte. Solche Praktiken werden lieber versteckt.

Hierzulande gibt es auch Gold, etwa in Gewässern. Lohnt sich die Suche danach denn gar nicht?

Hätten wir Löhne und Lebensbedingungen wie in Indien, würde vielleicht auch im Rhein mehr Gold gewaschen. Die Nazis, inspiriert vom Mythos des Nibelungenschatzes, haben es acht Jahre lang mit dem Schwimmbagger Rheingold ver­sucht. Die Ausbeute betrug gerade mal 300 Gramm. Belegt ist, dass Göring einen Teil davon abzweigte und sich einen «Nibelungenring» schmie­den liess. Der Ring ist allerdings verschwunden.

Hat fair gewonnenes Gold Ihrer Meinung nach eine Zukunft?

Auf dem globalen Goldmarkt wird faires Gold wohl auch weiterhin lediglich eine marginale Rolle spielen, sein Anteil liegt bei ungefähr einem Prozent. Als Privatperson kann man sich dennoch dafür entscheiden. Auch wenn sich damit vielleicht weltweit nicht viel ver­ändert, ist es trotzdem sinnvoll.