Schwerpunkt 23. November 2022, von Hans Herrmann

Von den Königen begehrt, von den Aposteln verachtet

Gold

Es steht für göttliche Herrlichkeit – und für das Nichtige materiellen Besitzes. In der Bibel kommt beides vor. Aber in der Realität ist Gold vor allem ein knallhartes Geschäft.

Gold zieht sich wie eine glänzende und zugleich leidvolle Spur durch die Geschichte der Menschheit. Dabei wurde es zum Symbol für die gespaltene Natur des Menschen, der dem Edlen und Schönen zugetan ist, aber ebenso die Habgier und die Ver­blendung kennt.

Auch die Bibel spricht ambivalent vom Gold. Einmal erscheint es als Sinnbild für das Göttliche, dann wieder als Metapher des Nichtigen. Der Evangelist Matthäus schildert, wie die Sterndeuter aus dem Morgenland den neugeborenen Jesus in Bethlehem aufsuchten.

Und sie gingen ins Haus hinein und sahen das Kind mit Maria, seiner Mutter; sie fielen vor ihm nieder und huldigten ihm, öffneten ihre Schatztruhen und brachten ihm Geschenke dar: Gold, Weihrauch und Myrrhe.
Matthäus 2,11

Im alten Orient galt Gold als Geschenk, das Königen gebührt. So bringt der Evangelist zum Ausdruck, dass man es mit dem Kind in Bethlehem mit einem ganz besonderen Knaben zu tun habe: einem König, freilich keinem irdischen, sondern einem göttlichen, was mit der nur Gott zustehenden Gabe des Weihrauchs angedeutet wird.

Ganz besonders mit Gold in Verbindung steht ein anderer biblischer König: Salomo, der mit irdischen Schätzen reich gesegnet war. Von ganzen Schiffsladungen Gold aus der afrikanischen Region Ofir wird erzählt, dazu von einer mit Gold beladenen Karawane aus Saba. 666 Zent­ner soll das jährliche Goldeinkommen von Salomo betragen haben, woraus er sich unter anderem einen goldenen Thron und me­hrere Hundert Schilde anfertigen liess, dazu goldene Gefässe und Geräte.

Ein Zeichen göttlicher Gunst

Dieser in der Bibel geradezu genüss­lich geschilderte Reichtum hat etwas Fantastisches, Märchenhaftes. All die Schätze lassen sich nicht nur als Zeichen weltlichen Reichtums, sondern auch als Hinweis auf einen Gott deuten, der seine Getreuen mit grosser Fülle überhäuft: Salomo ist ein Herrscher, der bei Gott in besonderer Gunst steht.

Mir gehört das Silber, und mir gehört das Gold!
Spruch des HERRN der Heerscharen. Haggai 2,8

Nach biblischem Verständnis befindet sich das Gold letztlich aber nicht im Besitz des Menschen. Unausgesprochen offenbart sich dieser göttliche Besitzanspruch auch in der Bundeslade, dem mobilen Wohnsitz Gottes. Der Kasten ist mit Gold über­zogen; der Deckel und die beiden Engel sind aus massivem Gold.

Und als Salomo Gott einen Tempel baut, wird dieser ebenfalls mit Gold überzogen und mit goldenen Gegenständen ausgestattet. Das Material soll etwas von der Herrlichkeit des unsichtbaren Gottes vermitteln.

Bei allem Gold, über das Salomo als weltlicher Herrscher verfügte, mach­te er sich aber doch auch Gedanken über den Wert oder Unwert seiner materiellen Güter. Im Buch Kohelet sinniert er:

Auch häufte ich mir Silber an und Gold und den Besitz von Königen und Ländern. Ich verschaffte mir Sänger und Sängerinnen und die Lust der Männer: Frauen und nochmals Frauen. So wurde ich grösser und reicher als jeder, der vor mir in Jerusalem war. Auch blieb mir meine Weisheit erhalten.
Kohelet 2,8-9

Salomo kommt zur Ein­sicht, dass dies alles «nichtig und ein Greifen nach Wind» ist. Der wah­re Wert liege in der Weisheit.

Pulverisiert und getrunken

Drastisch zeigt sich die Nichtigkeit des Goldes in der Geschichte vom Goldenen Kalb. Während Moses, der Anführer des Volkes Israel, auf den heiligen Berg steigt, um von Gott die Gebote zu empfangen, giesst das Volk ein goldenes Götzenbild in Form eines Kalbes und verehrt es in einem kultischen Tanz.

Mitten in diesem Treiben kommt Moses zurück. Er wird zornig, wirft das Götzenbild ins Feuer, zermörsert die Überreste und lässt das abtrünnige Volk das Pulver mit Wasser trinken. Diese Erzählung lehrt, was das herrliche Gold eben auch sein kann: ein falscher Gott, zuerst verehrt, dann hinfällig und zuletzt ausgeschieden mit dem Kot. Sogar das kostbare Gold ist vergänglich, einzig Gott ist beständig.

Die Liebe ist mehr wert

Dieser Gedanke wird im Neuen Testament weitergeführt. Hier ist wenig von Gold die Rede, und wenn, dann meist negativ. Zwar ist der Wanderprediger Jesus laut der Bibel ein Spross aus dem Stammbaum von König David und wird bei seiner Geburt mit Gold beschenkt.

Den­noch ist er im Leben ein einfacher Bauhandwerker, und seine Jünger sind Fischer und Netzmacher. In die­se Welt will das Gold als Inbegriff von königlicher Herrlichkeit und Macht nicht passen. Gold gehört nicht zum Besitz eines Apostels – die Gaben des Geistes sind dem Edelmetall vorzuziehen.

Dies verdeutlicht die Szene, in der Petrus und Johannes einen Gelähmten heilen, der vor dem Tempel in Jerusalem sitzt und um Almosen bittet. Petrus sagt zu ihm:

Petrus aber sagte: Silber und Gold besitze ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi des Nazareners, steh auf und zeig, dass du gehen kannst! 
Apostelgeschichte 3,6

Daraufhin nimmt Petrus den Mann bei den Händen und richtet ihn auf, und der Gelähmte kann gehen.
Auch Jesus selbst hielt nicht viel von Geld und Gold:

Kein Knecht kann zwei Herren dienen. [...] Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.
Lukas 16,13

Ganz am Ende der Bibel erhält das Gold seine mythische Bedeutung jedoch zurück und wandelt sich wie­der zum Symbol des Göttlichen. Die Offenbarung des Johannes, diese kraft­volle Vision des Endes und des Neubeginns der Welt, berichtet von einer «heiligen Stadt», die leuchtend vom Himmel herabkommt.

Und ihr Mauerwerk war aus Jaspis, und die Stadt war aus reinem Gold, das war wie reines Glas. [...] Und die Völker werden ihren Weg gehen in ihrem Licht, und die Könige der Erde tragen ihre Pracht zu ihr hin. [...]  Und sie werden in sie hineintragen die Pracht und die Schätze der Völker.
Offenbarung 21,18/24/26

Der Glanz von König Salomo klingt erneut an, verwandelt unter dem Vorzeichen einer neuen Welt mit einem neuen Jerusalem. In der goldenen Stadt Gottes wird die Menschheit keine Gier nach Hab und Gut mehr umtreiben, denn

nichts Gemeines wird in sie hineinkommen, keiner, der tut, was abscheulich ist.
Offenbarung 21,27