«Es ist schade, wie lieblos häufig mit dem wunderbaren Instrument umgegangen wird», sagt Dorothée Reize, wenn sie nach der Stimme gefragt wird. Wohlbefinden für uns selbst und die Zuhörenden entgehe uns so. Ihre eigene Stimme klingt warm, klar, lebendig. Mal spricht die Schauspielerin und Sängerin perlend schnell, dann langsam, höher oder tiefer. Körperausdruck, Mimik und Gestik verbinden sich mit ihrer Stimme zu einem Ganzen. Dahinter steckt auch Technik – und die kann man lernen, ist Reize überzeugt. Wie man den Text zu sich holt und nicht wie ein Brett vor sich hinstellt, lehrt die Stimmtrainerin Lektoren und Vikarinnen der Zürcher Kirche in Gruppen- und Einzelunterricht.
«Der ganze Körper sollte mitschwingen»
Wie man vor Publikum den Bezug zur eigenen Stimme nicht verliert, erklärt die Schauspielerin Dorothée Reize.
Sie findet es schade, wie lieblos mit der Stimme oft umgegangen wird: Dorothée Reize. Foto: Gerry Nitsch

Verspannungen lockern
Eine entspannte Stimmung zu schaffen ist ihr erstes Ziel in den Gruppenkursen mit den Lektoren und Lektorinnen. Sprechübungen wie «Mamemimomu» oder «Papepipopu» ertönen, und beim Lesen wird umhergegangen und wild vor sich her geredet, bis dann irgendwann alle lachen. «In diesem Moment ist der Bann gebrochen», sagt Reize. Vielen Leuten ist das Vorlesen aus der Schulzeit in schlechter Erinnerung. Dieser Erfahrung gilt es eine neue entgegenzusetzen, etwa, dass man beim Üben alle Fehler machen kann. «Ziel ist, dass der ganze Körper mitschwingt», erklärt die Sprechtrainerin. Wer während des Sprechens keinen Bezug zur eigenen Stimme hat, bleibt meist in derselben Tonlage, liest monoton vor sich hin und hat nicht den Mut zu wirkungsvollen Pausen. Um dies zu ändern, sei es sehr wichtig, sich den Text mit eigenen Bildern und Emotionen anzueignen, sagt Reize. Hinzu kommt die Verspannung, die sich oft einstellt, wenn man vor ein Publikum tritt. Der Tipp von der Fachfrau: Sich vorstellen, man sei schwer und weit und gut mit dem Boden verankert. Und zugleich hat man eine weite Öffnung nach oben. «Das Gegeneinander von Bodenhaftung und Aufrichtung erzeugt die nötige Körperschwingung.»
Die eigene Stimme finden
Viele der Probleme beim Sprechen kennt Reize aus eigener Erfahrung. Am Anfang ihrer Schauspielerzeit war sie voll mit starken Emotionen, die sie zum Publikum bringen wollte. «Es gelang mir nicht in gewünschter Weise, und ich war oft heiser». Mehr Technik, auch durch den Gesangsunterricht, half ihr, die Gefühle zu steuern, sie gezielter und überzeugender auszudrücken. «Man kann seine Stimme durchaus erweitern», ist die Schauspielerin überzeugt. Indem man mit ihr spielt, neue Tonlagen ausprobiert und die ganz eigene Lage entdeckt. Frauen beispielsweise würden häufig automatisch zu hoch sprechen, erklärt Dorothée Reize. Und in vielen Fällen fehle der Mut, den ganzen Körper einzusetzen, auch bei Männern: «Dann bleibt die Stimme im Hals stecken.»