Kant hat die Schrift 1795 in Form eines Friedensvertrages
verfasst. Das war ein paar Jahre nach der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung
(1776), den amerikanischen Grundrechtsgarantien (Bill of Rights, 1789) und der
französischen Menschenrechtserklärung (1789). Kant nimmt diese Ideen offenbar
begierig auf, geht dann aber in seiner Begründung der menschlichen Würde noch
einen Schritt weiter, oder?
Zumindest begründet er sie für mich am schlüssigsten: Der
Mensch hat eine Würde, weil er ethisch handelt und eine Vernunft besitzt und
endlich ist. Er darf nicht instrumentalisiert
werden, er ist ein Zweck an sich. Das ist
eine überzeugende philosophische Begründung, jenseits aller religiösen
Begründungen. Kant schliesst ja die Existenz eines Gottes nicht aus, aber Kants
Ethik funktioniert ohne Gott.
Kant widerlegt ja auch frühere Gottesbeweise wie jenen
von Thomas Aquin.
Auch wenn Kant sagt, man kann Gott philosophisch nicht
beweisen, so weist er doch darauf hin, dass es gute Gründe gibt, anzunehmen,
dass es einen Gott gibt. Aber das darf nicht der Grund für unser ethisches Handeln
sein. Denn wenn wir nur moralisch handeln aus Angst vor Strafe oder in der Hoffnung
auf Belohnung, dann ist das nicht ethisch sondern egoistisch.
Stattdessen propagiert Kant, sich seiner Vernunft zu
bedienen. Wage es, deinen Verstand zu benutzen, wird zum Motto der Aufklärung. Das
ist das Mittel, welches den Fortschritt ermöglicht. Die Aufklärung ist also ein
fortwährender, nie abgeschlossener Prozess.
Genau. Wir zitieren zu Anfang der Ausstellung dazu ja
auch Kants berühmten Satz: Wir leben in einem Zeitalter der Aufklärung, nicht
in einem aufgeklärten Zeitalter. Das bedeutet, wir müssen uns weiterhin darum
bemühen, aufgeklärt zu werden. Es gibt ja auch eine Dialektik der Aufklärung:
Die allzu starke Betonung des Verstandes kann auch zu negativen Effekten
führen, das war ja schon die Kritik der Romantik an der Aufklärung. Unsere
Position in der Ausstellung ist deshalb: Die Aufklärung muss aufgeklärt werden,
das heisst, wir können und müssen mit Vernunft die Denkfehler der Aufklärung
auflösen.