Auf der Suche nach der Medizin gegen Bürokratie

Spital

Das Projekt «Adminimierung» will mit unkonventionellen Ideen die Situation fürs Personal verbessern. 

Die Last des administrativen Aufwands in den Spitälern wird immer grösser. Längst muss das medizinische Personal nicht mehr nur Behandlungsverläufe dokumentieren. Von der spitalinternen Finanzabteilung über Krankenkassen, Bund und Wissenschaft bis zu den Zertifizierungsstellen – alle wollen Daten. 

Der Datenhunger verschlingt allerdings Zeit, die den Pflegefachleuten, Ärztinnen und Ärzten am Bett oder im Gespräch mit den Patientinnen und Patienten fehlt und zu Stress führt. Viele sind mittlerweile so unzufrieden mit der Situation, dass sie früh wieder aus dem Beruf aussteigen. Pflegenotstand und Ärztemangel verschärfen sich dadurch.

Nicht jedes Detail festhalten

Diese Problematik möchte Brida von Castelberg, ehemalige Chefärztin im Zürcher Stadtspital Triemli, mit dem Projekt «Adminimierung» angehen. Zusammen mit der Akademie Menschenmedizin (AMM), die sich für ein menschliches und bezahlbares Gesundheitssystem einsetzt, sucht Castelberg ein Spital, das bereit ist, seine Administration auf ein Minimum herunterzufahren. Ziel ist herauszufinden, ob sich die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Behandlungsergebnisse positiv verändern. 

Wir kommen nur langsam voran, aber es sind Schritte in die richtige Richtung.
Brida von Castelberg, ehemalige Chefärztin im Zürcher Stadtspital Triemli

Von Castelberg schlägt vor, sich auf die Fallgewichte leicht, mittel und schwer zu beschränken, statt jede Einzelleistung festzuhalten. Ein Beispiel: Es ergebe keinen Sinn, jedes Mal zu notieren, wenn der Patientin beim Anziehen der Stützstrümpfe oder beim Wasserlassen geholfen werde, sagt von Castelberg im Gespräch mit «reformiert.». 

Noch hat sie für das Projekt «Adminimierung» kein Spital gefunden, das einen solch radikalen Schritt wagt. Von Castelberg hofft jetzt auf die Unterstützung durch den vom Bundesrat 2022 beschlossenen Experimentierartikel, der anstrebt, kostendämpfende Projekte zu fördern. Erste Gespräche zwischen der AMM und dem Bundesamt für Gesundheit haben stattgefunden. 

Erst vereinzelt Unterstützung

Parallel dazu haben sich bei von Castelberg mehrere Exponentinnen aus dem Gesundheitswesen gemeldet, die sich an ihren jeweiligen Standorten für eine Entbürokratisierung einsetzen. Zu ihnen gehören die Spitaldirektorinnen von Bülach und Glarus, die Finanzchefin des Spitals Lachen, mehrere leitende Ärzte sowie der Baselbieter Gesundheitsdirektor Thomi Jourdan. 

Aufgrund der Gespräche mit ihnen wurden drei Arbeitsgruppen gebildet für die Bereiche Ärzte, Pflege sowie Kostengutsprachen von Versicherern. Sie sammeln in den Spitälern erarbeitetes Adminimierungswissen und suchen Potenzial für Entschlackung. Die publizierten Empfehlungen sind für alle zugänglich. Von Castelberg bilanziert: «Wir kommen nur langsam voran, aber es sind Schritte in die richtige Richtung.»