Vereint im Respekt vor der Natur

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Viele Geflüchtete kennen sich bestens im Gemüseanbau aus, da sie in ihrer Heimat Selbstversorger waren. Ihr Wissen wird  auf dem Demeterhof Biogarten Lieli äusserst geschätzt.

Die Luft im Gemüsetunnel ist feucht und warm. Nach tagelangem Regen hat die Maisonne das Universum unter dem Plastik schon am Morgen in ein dampfbadähnliches Klima versetzt. Die Witterung ist perfekt für die zarten Tomatenstauden, die jetzt rasant wachsen werden.

Durch die grünen Reihen zieht Ali Alimi, im grauen Sennenhemd und mit Sonnenhut, behutsam einen Schlauch und bebraust eine Pflanze nach der anderen mit Wasser. Die Bewässerung ist die Hauptverantwortung des 34-Jährigen im Biogarten Lieli, einem Demeter-Hof mit 30 Mitarbeitenden. Das macht ihn stolz, denn Wasser hat für ihn einen ganz besonderen Wert. 

In meiner Heimat Afghanistan mussten wir das Wasser mühsam aus der Erde pumpen. In der Schweiz jedoch gibt es überall sauberes Wasser im Überfluss!
Ali Amini, Gemüsebauer

Wie zu Hause

Die Arbeit auf dem Feld ist Alimi von klein auf vertraut. Wie viele seiner Landsleute war seine Familie selbstversorgend. Nach dem Physikstudium half Alimi daheim weiterhin im Land- und im Holzbau. «Hier fühle ich mich ein bisschen wie zu Hause», sagt er. «Ich finde es schön, dass meine Chefs sorgfältig mit der Natur umgehen», schwärmt er.

Für Vera Kessens, die zusammen mit ihrem Bruder Samuel und Raoul Thoma die Geschäftsführung des Demeter-Hofs innehat, ist Ali Alimi «ein Riesengewinn». Kurz vor Mittag sitzt sie im Büro in einem Container vor dem Hofgebäude. Von hier aus organisiert sie nicht nur die komplexen Arbeitspläne, sondern auch die 1500 Gemüseabos an 150 Standorten in den Kantonen Aargau und Zürich. 

«Ich denke jeden Tag, wie versiert die Geflüchteten auf unserem Hof sind. Wir spüren ihre grosse Achtsamkeit gegenüber der Natur, und sie bringen sehr viel Wissen mit», sagt Kessens. Alle seien Allrounder, auch talentiert in Umbauarbeiten.

Ich denke jeden Tag, wie versiert die Geflüchteten auf unserem Hof sind. Wir spüren ihre grosse Achtsamkeit gegenüber der Natur, und sie bringen sehr viel Wissen mit.
Vera Kessens, Co-Geschäftsführerin Biogarten Lieli

Einen bunten Strauss an Kompetenzen bringen alle Mitarbeitenden des Hofs mit. Vera Kessens, Mutter zweier kleiner Mädchen, studierte Ernährung und Dätetik. Zum Team zählen auch ein Filmproduzent, ein Künstler, eine Studentin und eine Sozialpädagogin, die alle neben ihren Berufen auf dem Hof Teilzeit arbeiten. «Wir müssen nie lange suchen, wenn wir zusätzliche Leute brauchen», sagt Kessens. Das dürfte auch an der Ausstrahlung der Demeter-Landwirtschaft mit seiner konsumbewussten Klientel liegen und am starken Gemeinschaftssinn, der auf dem Hof herrscht.

Mehr als Arbeit

Um Punkt 12 Uhr schlägt Margrit Madlener, die Mutter der Geschwister Kessens, die Glocke neben der Küchentür. Drinnen sind grosse Tische fürs Mittagessen gedeckt, aus dem Ofen duftet Gemüselasagne. Innert Minuten tauchen alle auf, einige kommen von den Feldern herbeigeradelt. Hungrig stellen sie sich bei Margrit und Djamila, einer Syrerin, die freitags kocht, fürs Essen an. Unter ihnen ist auch Gerd Kessens, der Vater und Mitbegründer der Gemeinschaft. Bald ist die Küche voller plaudernder Menschen. 

Hier bin ich glücklich!
Ahmed Ali

Nach einer Stunde verschwinden alle so schnell, wie sie kamen, das schöne Wetter muss genutzt werden. Auch Ahmed Ali, der auf dem Hof eine Lehre als Gemüsegärtner absolviert hat, kehrt zu der grossen Badewanne beim Hofladen zurück, in der er Kratten voller Frühlingszwiebeln und Rüebli wäscht – Gemüse für den Badener Wochenmarkt. Während das Wasser aus der Wanne spritzt, lacht er: «Hier bin ich glücklich!» 

Der Stress in der Imbissbude, wo er früher während zwölf Stunden am Tag schuftete, ist längst vergessen. Was er jetzt mache, sei mehr als ein Job. «Es wurde meine Familie», sagt er.

Öffentliche Feldbegehungen am 31. Mai, 5. und 11. Juni, jeweils 17.30 Uhr.

biogarten-lieli.ch

Schweizerische Flüchtlingstage

Vom 14. bis zum 16. Juni finden in der Schweiz die Flüchtlingstage statt, an denen sich vielerorts Kirchen beteiligen. Die diesjährigen Tage stehen unter dem Motto «Kind sein dürfen, auch nach der Flucht. Alle Kinder haben die gleichen Rechte». Die Regionen haben unterschiedliche Programme. Eine Übersicht ist unter www.fluechtlingshilfe.ch