Schwerpunkt 29. Dezember 2025, von Mirjam Messerli

Enrique Steiger: «Optimierung ist unser Geschäft»

Selbstoptimierung

Just in einer Lebenskrise ein Facelifting zu machen, sei keine gute Idee, findet Chirurg Enrique Steiger.

«Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Deshalb entscheidet jeder Mensch für sich selbst, wie ein optimaler Körper oder ein optimales Gesicht aussieht. Bei meiner Arbeit erlebe ich manchmal, dass eine Person ihre Nase hässlich findet und darunter leidet, obschon die Nase objektiv betrachtet nicht speziell gross oder schief ist. 

Ich bin plastischer Chirurg, aber häufig sind zuerst meine psychologischen Fähigkeiten gefragt und erst später meine handwerklichen. Ich rate davon ab, in einer Lebenskrise einen kosmetischen Eingriff machen zu lassen. Mit einem Facelifting lässt sich keine Ehe retten. 

Auch humanitäre Einsätze 

Die Optimierung des Äusseren ist unser tägliches Geschäft. Ich trenne dabei nicht wie andere zwischen rein ästhetischen Eingriffen und der Wiederherstellungschirurgie. Beides hat seine Berechtigung. 

Meine Arbeit als Schönheitschirurg trägt ausserdem dazu bei, dass ich mein humanitäres Projekt finanzieren kann: Mit meiner Stiftung Swisscross und einem internationalen Team operieren wir auf der ganzen Welt Opfer von Kriegen.

Bei Swisscross wollen wir, dass der Mensch wieder wie ein Mensch aussieht, sich im Spiegel erkennt, im besten Fall sich wieder schön fühlt.

Die Ansprüche dieser Menschen an uns sind viel bescheidener als diejenigen meiner Patientinnen und Patienten in der Schweiz, den USA oder Dubai. Aber an meiner Arbeit und an meinem Anspruch ändert sich nichts. 

Bei Swisscross wollen wir Kriegsopfern nicht einfach ein funktionstüchtiges Gesicht wiedergeben. Wir wollen, dass der Mensch wieder wie ein Mensch aussieht, sich im Spiegel erkennt, im besten Fall sich wieder schön fühlt. 

Botox für die Frische 

Mein eigenes Gesicht habe ich auch optimiert. Die Augenpartie ist gestrafft, manchmal sorgt etwas Botox dafür, dass ich frischer aussehe. Ich bin 65 Jahre alt, fühle mich aber wesentlich jünger. Das liegt sicher auch daran, dass ich heute mehr arbeite als in jungen Jahren. Deshalb möchte ich, dass mein Inneres und mein Äusseres harmonieren. Ich bin damit in guter Gesellschaft: Die Männer holen in Sachen ästhetische Eingriffe tüchtig auf. Inzwischen machen sie über einen Drittel meiner Kundschaft aus. 

Natürlich sehe ich bei anderen, ob sie etwas haben machen lassen. Je mehr ich etwas registriere, desto schlechter ist es gemacht oder desto unnatürlicher. Gute ästhetische Chirurgie ist praktisch unsichtbar. 

Ob ich dem Schöpfer ins Handwerk pfusche? Gute Frage. Wahrscheinlich schon ein bisschen. Das tut aber ein Herzchirurg auch. Man kann es so sagen: Ich versuche den Schöpfer nachzuahmen, werde aber niemals seine Perfektion erreichen.»