«Ein Ort für ethisch korrekte Investments»

Gründung

Der Berner Pfarrer Ueli Burkhalter über die Anfänge der Mikrokreditbranche und die Haltung der Kirchen in den 70er-Jahren.

Sie haben Oikocredit über Jahrzehnte in diversen Funktionen begleitet. Wie kam es zur Gründung der Genossenschaft? 

Ueli Burkhalter: Ethisches Investieren war Thema an der Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen 1968. Fragen nach Gerechtigkeit und Frieden waren wichtige Themen an der Konferenz. In diesem Jahr war die ganze Welt in Aufruhr. Viele Kirchen steckten ihre Pensionskassengelder in die Waffenindustrie, die wegen des laufen den Vietnamkriegs hohe Dividenden einbrachte. Es gab dann in der Versammlung junge Rebellen, die sagten: Es kann nicht sein, dass wir von Gerechtigkeit sprechen, aber nicht schauen, wo wir unser Geld investieren. 1975 wurde dann die «Ecumenical Development Cooperative Society» gegründet. 

Wie kam es zur Gründung des Deutschschweizer Fördervereins? 

Ursprünglich konnten nur Kirchen, Bistümer, Landeskirchen und Klöster Mitglied bei der internationalen Genossenschaft werden. Das war beinahe deren Todesurteil, denn die kirchlichen Kassiere erwiesen sich als sehr vorsichtig. Aber es gab viele Privatpersonen, die sehr wohl bereit waren, Geld anzulegen. Deshalb wurde der Deutschschweizer Förderverein gegründet, über ihn wurden die Gelder in die internationale Genossenschaft investiert. Seit 2023 kann jede und jeder direkt bei Oiko credit International anlegen. Der Förderverein konzentriert sich nun auf Bildung und betreibt Sensibilisierungsarbeit, er soll das Terrain für neue Investoren ebnen.

Ueli Burkhalter, 63

Ueli Burkhalter ist Pfarrer in der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Diessbach. Von 2002 bis 2011 war er im Vorstand des Fördervereins Oikocredit deutsche Schweiz, ab 2003 als dessen Präsident. Danach blieb er bis 2021 in diversen Funktionen für Oikocredit tätig, erneut auch im Vorstand. Er investiert selbst bei Oikocredit.

Die Berner Kirche hat sich bereits recht früh stark in der Genossenschaft engagiert. 

Ja, wir unterstützten das Anliegen als Kirche sehr. Wir fanden, dass die Kirchen einen Ort brauchen, wo sie ihre Reserven ethisch korrekt investieren können. 

Wie steht es um das Engagement der Berner Kirche heute? 

Refbejuso ist bis heute stark involviert. Die Berner Kirche hat mehr als eine Million Franken investiert. Damit ist sie die grösste kirchliche Investorin der Schweiz. Bislang hat die Berner Kirche via den Förderverein bei Oikocredit investiert, 2025 will sie Direktmitglied werden – quasi als Aktion zum 50-jährigen Jubiläum von Oikocredit. So werden wir inskünftig auch ein Stimmrecht bei der Generalversammlung haben und international sichtbar werden. Wir hoffen auch, dass dieser Beitritt unsere Kirchgemeinden motiviert, ebenfalls bei Oikocredit zu investieren. 

Gibt es Projekte, an die Sie sich besonders erinnern? 

Die Generalversammlungen von Oikocredit International fanden oft in einem der Projektländer statt. Ein Projekt, das mich sehr berührte, war jenes der Peruanerin Irene Castro. Damit sie ihr Getreide nicht mehr tagelang mit dem Esel in ein anderes Tal bringen musste, kaufte sie mit einem Kredit von 300 Dollar eine kleine Mühle. Mit der Zeit hatte sie vier Angestellte, und die Leute aus dem ganzen Tal brachten ihr Getreide zu ihr. Sie beeindruckte mich mit ihrer Geschäftstüchtigkeit. Sie konnte nicht lesen und schreiben, den Kreditvertrag mit der Oikocredit-Partnerbank hatte sie mit dem Abdruck ihres Daumens unterzeichnet. Aber sie rechnete mir genau vor, wie viel Geld ihr die Geschäfte eintragen. Damit konnten ihre Kinder die Schule besuchen