Wer putzt, wäscht und kocht bei Ihnen zu Hause? Und wieso? Antworten auf diese Fragen können kurz ausfallen – oder schnell in die Tiefen von Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Vergangenheit führen.
Samuel Geiser und Heidi Kronenberg gehen diesen Fragen in ihrem Buch «Küchengespräche» nach. Sie suchten Expertinnen und Experten aus verschiedenen Disziplinen auf – von Politik über Ethik, Raumplanung, Philosophie, Psychologie bis Literatur. Und weiter Menschen, die gemeinschaftlich oder allein einen Haushalt bestreiten. Die Fotografin Yoshiko Kusano bildete deren häuslichen Alltag ab. Das Resultat ist ein Querschnitt durch die schweizerische Haushaltslandschaft – und damit durch Geschichte, Theorie und Praxis der Sorgearbeit.
Papi oder Putzfrau sein ist politisch
Ob man ihn selbst macht oder machen lässt: Der Haushalt betrifft alle. «Küchengespräche» porträtiert Haushaltsmodelle und wirft einen gesellschaftspolitischen Blick auf das Thema.
Der einstige «reformiert.»-Redaktor und die einstige SRF2-Radio-Redaktorin begaben sich mitten ins Geschehen. Die Lesenden betreten gemeinsam mit ihnen die Wohnungen ihrer Gesprächspartner und -partnerinnen, vorbei an Sandkästen und vollen Garderoben. Oder betrachten zum Beispiel in einem Architekturforschungslabor, den zwei Recherchierenden quasi über die Schultern blickend, die Modelle unterschiedlicher Haushaltsräume.
Haushalt betrifft alle
Dieselbe Alltagsnähe zeigt sich auch in Kusanos Bildern. Der Einblick in fremde Haushalte, die – wie oftmals auch der eigene – zwischen Ordnung und Chaos, Liebe und Pragmatismus schwanken, spricht sofort an. Haushalt betrifft eben alle.
Und doch stellen Geiser und Kronenberg im Buch fest: «Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Haus- und Familienarbeit als zentralem Teil der Sorge- und Versorgungsarbeit fehlt in unserer Gesellschaft.» Das Verständnis dafür, dass die Probleme der Sorgearbeit strukturelle und gesellschaftliche Fragen sind, war um 1900 stärker als heute. Dies erfuhren die Autorin und der Autor von Simona Isler; sie ist Historikerin sowie Co-Direktorin der Gosteli-Stiftung, des Archivs der schweizerischen Frauenbewegung.
Sinnvolle Wiederholung
Das Thema Haushalt, könnte man schlussfolgern, ist weder politisch noch im Alltag jemals erledigt. «Alles nur sinnlos, da Repetition?», fragt im Buch Philosophin Lisa Schmuck-li – und verneint. Denn: «Keine Entwicklung ohne Wiederholung. Nur dank ihr können Kinder heranwachsen und Erwachsene sich beheimatet fühlen.» Die Einsicht, dass Wiederholung notwendig sei, schütze vor übersteigertem Individualismus ebenso wie vor Selbstüberhöhung, sagt Schmuckli. «Haushalten lehrt Demut.»
Geiser, Kronenberg, Kusano: Küchengespräche. Wer kocht, putzt, wäscht und tröstet? Rotpunkt, 2024, 296 Seiten