Defizit zwingt spirituelles Zentrum zum Neustart

Bildung

Trotz Widerstand reduzieren die Jesuiten das Angebot im Lassalle-Haus oberhalb von Zug drastisch. Es soll es ein spirituelles Zentrum bleiben, gesucht werden Betriebspartner. 

Ruhig, geradezu still ist es an diesem späten Vormittag im Lassalle-Haus oberhalb von Zug. Einzig zwei Angestellte der Rezeption sind im imposanten Eingangsbereich zugange. «Das ist einer dieser Tage, die uns zu schaffen machen», sagt Jesuit Toni Kurmann, Direktor des Hauses. Gerade weilt nur eine Gruppe mit ihrem Wochenkurs im Zentrum der Jesuiten, das sich der interreligiösen Begegnung und spirituellen Bildung verschrieben hat. In den Holzfächern liegt das Programm aus, doch viele der aufgeführten Tagungen und Workshops werden hier nicht mehr stattfinden: Das Lassalle-Haus in Bad Schönbrunn mit seinen 79 Zimmern schliesst Ende Juni den Hotel- und Gastrobetrieb. Stattfinden sollen dann nur noch Tagesveranstaltungen, Gottesdienste und Meditationen. 

43 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren ihre Stelle, das Konsultationsverfahren ist inzwischen abgeschlossen. In einer Informationsmail hiess es, zwar seien mehrere vielversprechende Ideen präsentiert worden. Keine Initiative habe jedoch kurzfristig neue Perspektiven eröffnet. Auch die Petition zur Rettung des Hauses brachte keine Wende, obwohl in wenigen Tagen über 5000 Menschen unterzeichneten, darunter prominente Personen wie Herzchirurg Thierry Carrel oder Publizist Roger de Weck. 

Unverständnis bei den Unterstützern

Das grosse Echo zeige die gute Vernetzung des Zentrums, so Jesuit Niklaus Brantschen. Er führte es über Jahrzehnte und positionierte es 1993 mit dem deutsch-japanischen Jesuiten und Zen-Meister Hugo Makibi Enomiya-Lassalle als Namensgeber neu. «Das Haus ist aus der zentraleuropäischen Bildungslandschaft nicht mehr wegzudenken.»

 
Die jüngsten Ereignisse sorgen bei vielen Beobachtern für Unverständnis. Lukas Niederberger spricht von einer Mischung aus «Schock, Enttäuschung und Wut». Der ehemalige Jesuit war selbst einmal Direktor des Hauses und hat die Petition mitlanciert. Sie sollte eine Neuausrichtung des Hauses bei laufendem Betrieb erwirken. Die Ordensleitung winkte aber ab. Niederberger attestiert früheren Verantwortlichen eine gewisse Beratungsresistenz mit Blick auf Innovationen. So sei vor der Sanierung des Hauses vor zehn Jahren keine zukunftsfähige Strategie erarbeitet worden. 

Es ist wichtig, Partner zu finden, die den Kern und die Seele des Hauses verstehen.
Toni Kurmann, Direktor

Mit Blick auf die Lage des von Architekt André M. Studer eindrucksvoll komponierten Hauses spielten Kurmann zufolge viele Faktoren eine Rolle: Zwar sei das Lassalle-Haus nie Cashcow, sondern stets Herzensangelegenheit gewesen. Allerdings stiegen die Verluste. «Anders als Bildungshäuser wie Kloster Kappel erhalten wir nur Spenden und profitieren nicht von Kirchensteuern.» Kurmann will keine Zahlen nennen. In einzelnen Monaten musste der Orden dem Vernehmen nach jedoch sechsstellige Beträge zuschiessen. 


Mehrtägige Kurse nahmen in der Dauer ab, und die Corona-Pandemie veränderte das Buchungsverhalten. Auch der Fokus auf Zen-Buddhismus, einst ein Alleinstellungsmerkmal, stellte sich zuletzt als schwieriger heraus. Denn Zen-Meditationen würden nun breit angeboten, sagt Kurmann. Und seit sich Zen-Meister Brantschen altersbedingt zurückgezogen hat, gibt es im Haus keinen Zen praktizierenden Jesuiten mehr. «Auch das hat zur Schieflage beigetragen und zeigt, dass wir Akzente verschieben müssen», so Kurmann. Darüber hinaus dürften auch die neuen Ordensstrukturen eine Rolle gespielt haben, die wohl zu einer gewissen Distanz führten. 2021 wurde die Schweizer Jesuiten-Provinz aufgegeben, die Geschicke werden von München aus gelenkt. 

Kein Wohnraum für Reiche

Dass das Ende jetzt derart abrupt kommt, bedauert auch Kurmann. Dennoch sieht er in der «Brachzeit» die Chance, sich ohne Finanzdruck mit einer internen Arbeitsgruppe der Zukunft des Hauses zu widmen. Exklusiver Wohnraum für Gutverdienende wäre für Kurmann ein unliebsames Szenario. «Wir Jesuiten haben versprochen, dass das Lassalle-Haus ein spirituelles Zentrum bleiben soll.» Dafür schwebt Kurmann persönlich ein Szenario vor, in dem das eigentliche Zentrum als eine Art Impulsgeber und Thinktank im Haus präsent bleibt, während ein Partner die Hotellerie unabhängig betreibt. «Es ist wichtig, Partner zu finden, die den Kern und die Seele des Hauses verstehen.» 


Austausch gibt es auch mit Lukas Niederberger, der eine Reihe von Personen um sich geschart hat, die durch Kontakte zu Hochschulen oder Stiftungen helfen könnten, eine tragfähige Lösung zu finden. «Entscheidend ist für uns, dass das Haus ein Ort für spirituelle Wege verschiedener Religionen und auch für soziale Verantwortung bleibt», sagt der einstige Direktor. Toni Kurmann legt gegen Ende des Gesprächs mit «reformiert.» ein Buch auf den Tisch. Der Titel: «Von der Katastrophe zur Erneuerung». Lassalle habe darin seine Erinnerungen an den Atombombenabwurf auf Hiroshima festgehalten, sagt er. Das Buch zeige Lassalles Friedensengagement und dass der Jesuit für mehr stehe als Zen. «Das gibt mir Hoffnung.»