«Kritik müssen wir ernst nehmen»

Immobilien

Die Kirchgemeinde Zürich geriet wegen hoher Mieten in die Schlagzeilen und sucht Lösungen für leere Kirchen. Kirchenpfleger Michael Hauser sagt, wie er die Probleme angehen will.

Der Kirchenkreis drei benötigt die Andreaskirche nicht mehr. Ist der Monolith aus Beton nun ein Klotz am Bein der Kirchgemeinde? 

Michael Hauser: Nein. Die Nachfrage nach unseren Angeboten geht seit vielen Jahren stark zurück. Im Rahmen unserer Standortplanung hat uns der Kirchenkreis drei mitgeteilt, dass er die Kräfte auf weniger Standorte fokussieren möchte. Zugleich wächst die Bevölkerung in Zürich, das öffnet viele Türen.

Was kommt nach dem Abschied?

Infrage kommen weltliche Nutzungen, die der Öffentlichkeit dienen, oder Nutzungen durch andere Religionsgemeinschaften. Gemäss unserer Umfrage bei den Mitgliedern werden nicht christliche Glaubensgemeinschaften kritischer angesehen. Wichtig ist: Wir behalten die Gebäude, so dass nächste Generationen erneut entscheiden können.

Was gilt für die Andreaskirche?

Momentan evaluieren wir mögliche Zwischennutzungen. Das Kirchgemeindehaus wird bereits seit einigen Jahren als Kindergarten und für die Mittagsbetreuung genutzt.

Für die Kirche auf der Egg wurde 2013 ein Nutzungswettbewerb durchgeführt. Realisiert wurde kein Projekt. Waren die Ambitionen zu hochtrabend?

Ich bin zuversichtlich, dass wir nach dem spannenden Projekt «Projektil» eine Anschlusslösung finden. Wir sind mit mehreren Interessenten im Gespräch.   

Und manchmal werden Zwischennutzungen zu Dauerlösungen. Aus der Bullingerkirche zieht das Parlament nicht so rasch wieder aus.

Die Sitzungen des Kantonsrats und des Zürcher Gemeinderats sind vielleicht die schönste nicht kirchliche Nutzung, die wir uns vorstellen können. Neben Kantons- und Gemeinderat tagen auch das Jugendparlament, die katholische und reformierte Synode und unser eigenes Parlament darin. Für die Kirchgemeinde geht die Rechnung auf jeden Fall auf. 

Michael Hauser

Rund zehn Jahre amtete Hauser als Stadtbaumeister von Winterthur, seit 2017 ist er mit einer eigenen Firma in der Entwicklung von Immobilienprojekten tätig. Kurz darauf übernahm der Architekt als Kirchenpfleger der Kirchgemeinde Zürich das Ressort Immobilien. Seitdem ist er für ein Portfolio im Wert von rund 1,1 Milliarden Franken zuständig. Bei den nächsten Kirchenpflegewahlen 2026 will Hauser wieder antreten.

Der Kirchenkreis drei gibt einen Gottesdienststandort auf. Der Kirchenkreis sieben acht hat sich gegen eine Schliessung der grossen Kirche Fluntern gewehrt und hält an allen Standorten fest. Sind die Kirchenkreise kleine Königreiche in einer fusionierten Gemeinde? 

Es freut mich, wenn der Kirchenkreis sieben acht alle Kirchen selbst bespielen will. Gleichzeitig ist das Vorhaben ambitioniert. Ohne starke Partnerschaften zur Mitnutzung von Räumen wird es nicht gelingen. Vonseiten der Kirchenpflege müssen wir dafür sorgen, dass sich der Kirchenkreis nicht übernimmt.   

Die Kirchgemeinde will bis 2040 sechs Kirchen und sechs Kirchgemeindehäuser aufgeben. Wie lautet die Zwischenbilanz?

Ich bin zuversichtlich, dass wir nach den Rückmeldungen der Kirchenkreise zur Standortplanung sechs Kirchen finden. Bei den Kirchgemeindehäusern ist es anspruchsvoller. Sie werden oft vielfältig belegt: Es finden Chorproben, Religionsunterricht, Feiern, Yoga und Quartieranlässe statt. Da ist grosse Flexibilität gefragt. Denn wir wollen ja weder unsere Angebote reduzieren noch Drittnutzende verlieren.

Die Kirchgemeinde hat ihre Mitglieder zu möglichen Umnutzungen befragt. Was liegt noch drin?

Unsere Mitglieder zeigen betreffend Zusatznutzungen eine grosse Offenheit. Vorbehalte wurden bei allzu kommerziellen Angeboten geäussert. Auch bei der Nutzung durch nicht christliche Religionsgemeinschaften gibt es Skepsis. Dies werden wir berücksichtigen. 

Bisher wurden bei Umnutzungen oft Verträge mit dem Staat geschlossen, dem Schuldepartement, den Parlamenten. Laut Leitbild sollen Kirchen aber für die breite Bevölkerung offen bleiben. Fehlt der Kirchgemeinde die Fantasie? 

Entscheidend ist bei öffentlichen und privaten Initiativen immer die Frage, ob eine Nutzung mit unseren Werten kompatibel ist. Die Bullingerkirche als Parlament, Schulbibliothek und Mittagstische in den Kirchen Wipkingen und Suteracher und die Musikschule im Limmathaus sind gelungene Beispiele für Zusatz- und Umnutzungen. Aber auch zum Beispiel mit einer Kletterhalle blieben Kirchen für breite und auch jüngere Bevölkerungsgruppen offen. Ich stehe auch zur Aussage im Leitbild, wonach es in Kirchen einmal still sein darf.

Neu genutzte Kirchen

Die Kirche Wipkingen dient ab 2026 als Hortgebäude der Schule Waidhalde. Die Bullingerkirche nutzen seit 2023 die Parlamente von Stadt und Kanton Zürich sowie die Synode der reformierten Landeskirche, weil das Rathaus saniert wird. Eine Lösung für die Kirche auf der Egg in Wollishofen lässt auf sich warten: Nach einem Wettbewerb im Jahr 2013 wurde das Gewinnerprojekt – ein Familienhotel – nie realisiert, die Kunstklangkirche musste aufgeben. Auch die jüngste Zwischennutzung ist nun passé.

Die Kirchgemeinde Zürich vermietet auch über 300 Wohnobjekte. Vor drei Jahren wurde nach hitziger Debatte der Begriff «marktübliche Preise» aus dem Leitbild gestrichen. Nun müssen Mietende für eine neu gebaute 4,5 Zimmerwohnung in Hottingen 4700 Franken zahlen. Protest war programmiert.

Kritik müssen wir ernst nehmen.

Eigentlich handelt es sich doch um marktübliche Preise. Und offenbar innerhalb der Bandbreite der teuersten zehn Prozent in der Gegend.

Der Sennhauserweg ist ein kleiner Neubau an Hanglage in einer anspruchsvollen Umgebung am Zürichberg. Der CO₂-arme Holzbau ist vorbildlich. Trotz Kostenmietmodell resultieren allerdings Mieten, die ein überdurchschnittliches Einkommen voraussetzen.  

Im Immobilienleitbild wird eine angemessene Rendite verlangt. Was bedeutet das konkret?

Unser Kostenmietmodell sieht eine angemessene Eigenkapitalrendite vor, die sich am Referenzzinssatz orientiert. Darüber hinaus können wir das Grundstück zum Verkehrswert einsetzen und mit der Aufwertung einen Gewinn erzielen.   

Was lernen Sie aus dem Fall Sennhauserweg, der der Kirche Negativschlagzeilen eingebracht hat?

Wir werden bei kleinen Objekten Alternativen prüfen. Die Abgabe im Baurecht wäre eine gute Möglichkeit, um Eigenverantwortung zu ermöglichen, finanziell sorgfältig mit Steuergeldern umzugehen und die Verschuldung tief zu halten. Wir können auch Objekte von der Kostenmiete ausnehmen.

Und den Streit um die Mieten können Sie elegant umschiffen.

Unsere Anspruchsgruppen divergieren stark: Im Parlament gibt es Kräfte, welche die maximale Rendite ausschöpfen möchten. Gleichzeitig hat die TED-Umfrage im Magazin «Beobachter» ergeben, dass 72 Prozent bereits die Kostenmiete beim Sennhauserweg als zu hoch empfinden. Ich bin zuversichtlich, dass wir jene Eier legende Wollmilchsau finden, die einer öffentlich-rechtlichen Organisation würdig ist.