Wer Kritik von zwei verschiedenen Seiten erhält, hat nicht zwingend alles richtig gemacht. In Bezug auf den Positionsbezug der Evangelischen Kirche Schweiz (EKS) deutet aber vieles darauf hin. Das Netzwerk Migrationscharta, das die Seenotrettung auf die reformierte Agenda gesetzt hat, bemängelt, der Rat agiere zu zögerlich, weil er «United4Rescue» nicht beitritt und nur wenig Geld lockermacht. Übersehen wird dabei, dass sich der Rat bemerkenswert weit vorwagt. Er bekennt sich zur Seenotrettung und unterstützt die asylpolitischen Forderungen des deutschen Bündnisses. Will sich die EKS darüber hinaus engagieren, ist eine Debatte in ihrer Synode zwingend.
Kritikerinnen und Kritiker der Seenotrettung wiederum werfen der Kirche vor, mit ihrer Hilfsbereitschaft den Schleppern in die Hände zu spielen. Obwohl bisher kein Zusammenhang zwischen Rettungsangebot und Migrationsbewegungen nachgewiesen werden konnte, wischt die EKS diese Befürchtung nicht einfach vom Tisch. Aber sie ruft in Erinnerung, dass es insbesondere aus christlicher Perspektive zynisch wäre, Menschen zur Abschreckung ertrinken zu lassen.
An der falschen Adresse
Natürlich ist die Entsendung eines Rettungsschiffs ins Mittelmeer nur Symptombekämpfung. Doch handelt es sich bei diesen Symptomen nicht um Schwindel oder Kopfschmerzen, sondern um Tote. Da darf die Kirche nicht wegschauen.
Und sie tut ja viel mehr: Sie schaut bei den komplexen Ursachen und Auswirkungen der Migrationskrise genau hin. Ihre Hilfswerke sind weltweit präsent und versuchen, die Zivilgesellschaft in Abgrenzung zu von der Korruption zerfressenen Regimen zu stärken. Und sie finanziert Integrationsprojekte, beispielsweise in Zusammenarbeit mit der Waldenser Kirche in Italien. Für Kritik, sie handle in der Migrationspolitik blauäugig, ist die Kirche also die falsche Adresse.