Recherche 25. Februar 2020, von Felix Reich, Sabine Schüpbach Ziegler

Geteilte Reaktionen auf das Bekenntnis zur Seenotrettung

Migration

Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz unterstützt das Bündnis «United4Rescue». Manche Reformierte freuen sich über das Zeichen der Menschlichkeit, andere finden es naiv.

«Über die Unterstützung aus der Schweiz freue ich mich sehr», sagt Heinrich Bedford-Strohm gegenüber «reformiert.». Der Entscheid der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) zeigt dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), «dass die Solidarität der Kirchen in Europa mit Menschen in Not nicht an staatlichen Grenzen endet».

Ende Januar hatte die EKS bekannt gegeben, dass sie das Bündnis «United4Rescue» unterstützt, das bald ein Rettungsschiff ins Mittelmeer senden wird. Das Bündnis wurde letzten Herbst auf Initia­tive der EKD gegründet. Es setzt sich dafür ein, dass Seenotrettung nicht mehr kriminalisiert wird und Bootsflüchtlinge faire Asylverfahren erhalten. Zudem will es Städte und Gemeinden ermutigen, Flüchtlingskontingente aufzunehmen.

Hilfe und ihr Gegenteil

Dass die EKS diese Forderungen mitträgt, freut Verena Mühlethaler zwar. Trotzdem sei das Engagement nur «halbherzig», kritisiert die Pfarrerin der Kirchgemeinde Zürich. «Ich hätte mir gewünscht, dass die EKS deutlich mehr als nur einige tausend Franken spendet, und dem Bündnis als Partnerin beitritt.» Diese Forderungen hatte das Netzwerk Migrationscharta erhoben, dem Mühlethaler angehört.

Die EKS lebe von den Geldern ­ihrer Mitgliedkirchen, erklärt Präsident Gottfried Locher auf Anfrage. «Der Rat würde aus diesem Grund niemals an der Synode vorbei grosse Beträge freigeben.» Mit seinem Posi­tionsbezug setze er jedoch «ein Zeichen». Die Reaktionen auf die Unterstüt­zung von «United4Rescue» ­seien vorwiegend positiv. «Offensichtlich ist es uns gelungen, die Pflicht, Menschen vor dem Ertrinken zu retten, vom Dilemma, in dem wir uns in der Migrationspolitik befinden, zu trennen.»

Die Integrationskraft der Zielstaaten sei begrenzt, räumt Locher ein. Und er betont: «Die Befürchtung, Schlepper würden darauf spekulieren, dass die Flüchtlinge von zivilen Rettungsschiffen nach Europa gebracht werden, nehme ich ernst.» Dennoch könne niemand ein Dilemma geltend machen, wenn es um Seenotrettung gehe. «Menschen, die zu ertrinken drohen, müssen wir retten.»

Willy Honegger dagegen findet es falsch und «naiv», dass die EKS die Seenotrettung unterstützt. «Die Kirche will Gutes tun, bewirkt aber das Gegenteil, weil Seenotrettung noch mehr Flüchtlinge anzieht», so der Pfarrer in Bauma, der in der Synode der EKS sitzt. Die Kirche solle sich besser um Flüchtlinge in der Schweiz kümmern und christliche Hilfswerke unterstützen, die poten­ziellen Migranten «Perspektiven im eigenen Land geben».

Auch Theddy Probst, ebenfalls Synodaler der EKS, betont: Die Kirche dürfe nicht Hilfspersonal von Schlepperbanden werden und solle sich für Flüchtlinge und Migrationskirchen hierzulande einsetzen. Dennoch begrüsst der Pfarrer in Wildberg die Stellungnahme: «Sie ist ein klares Signal für Menschlichkeit und gegen Gleichgültigkeit.»

Ein buntes Bündnis

Ob Schweizer Landeskirchen und Gemeinden «United4Rescue» beitreten, ist offen. Der Zürcher Kirchenrat klärt seine Position laut Präsident Michel Müller noch. Er hält fest: «Die EKS unterstützt das Bündnis in eigenem Namen, nicht in jenem der Landeskirchen.»

Bisher fehlt unter den 320 Partnern eine Schweizer Adresse. Ein Beitritt ist ohne Spenden möglich. Neben deutschen Landeskirchen, Kirchgemeinden und Pfarreien sind Jugendorganisationen, Einzelpersonen und Gemeinden dabei. Sprecher Joachim Lenz sagt: «Wir wollen möglichst viele Menschen für das Leid der Flüchtlinge sensibilisieren – ebenfalls in der Schweiz.»