Wie die muslimische Seelsorge finanziert werden soll

Kirche

Erstmals hat der Zürcher Kirchenrat der Synode aufgezeigt, wie er die muslimische Seelsorge und Angebote anderer Religionsgemeinschaften mit Staatsbeiträgen unterstützen will.

Von einem «Befreiungsschlag, der die Staatsbeiträge in ein Zukunftsmodell verwandelt» sprach die Kirchenratspräsidentin Esther Straub in der Synode. Zur Debatte stand nur eine Antwort auf eine Interpellation. Doch die hatte es in sich.

Erstmals gab der Kirchenrat Auskunft darüber, wie er seinen im von der Synode abgesegneten und vom Kantonsrat zur Kenntnis genommenen Tätigkeitsprogramm festgehaltenen Plan in die Tat umsetzen will: Die beiden grossen Kirchen unterstützen in den nächsten sechs Jahren Projekte von nicht anerkannten Religionsgemeinschaften mit einem gesamtgesellschaftlichen Nutzen mit insgesamt zwölf Millionen Franken. Das Geld stammt aus dem Rahmenkredit von rund 300 Millionen Franken, mit dem der Kanton die Leistungen, welche die Kirche über den Kreis der eigenen Mitglieder hinaus erbringt, honoriert.

Der Kanton gewinnt Zeit

Ruth Derrer Balladore sieht die Landeskirchen «in einer schwierigen Situation». Denn die Idee, nicht anerkannte Religionsgemeinschaften finanziell zu unterstützen, stamme ja vom Kanton, «der es verpasst hat, rechtzeitig gesetzliche Grundlagen dafür zu schaffen», sagt die Präsidentin der liberalen Fraktion.

Tatsächlich wollen die Kirchen nur vorübergehend in die Bresche springen. 2032 soll der Kanton übernehmen. Auf welcher rechtlichen Grundlage die finanzielle Unterstützung nicht anerkannter Religionsgemeinschaften möglich sein wird, ist noch offen. «Die Absicht ist, dass die neue Regelung nicht zulasten der anerkannten Religionsgemeinschaften geht», sagt Marius Tongendorff vom Rechtsdienst der Direktion der Justiz und des Innern auf Anfrage von «reformiert.».

Autonomer Nachvollzug

Dass nun die Kirche gefordert sei, «weil der Kanton die Hausaufgaben nicht erledigt hat», hinterlässt bei Christian Meier ein grosses Unbehagen. «Sie übernimmt eine Verantwortung, die sie eigentlich nicht tragen kann», sagt der Präsident der evangelisch-kirchlichen Fraktion. Denn jetzt entscheidet der Kirchenrat und bei grösseren Krediten die Synode, ob Projekte von der Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich (Vioz), dem Verband der orthodoxen Kirchen, des Tibet Songtsen House und der Freikirchen förderungswürdig sind. Sie alle haben bereits Gesuche eingereicht. Die Muslime melden mit 1,5 Millionen Franken eindeutig den grössten Bedarf an. Die orthodoxen Gemeinden hoffen auf 400 000 Franken, die Freikirchen auf 30 000 und das tibetische Zentrum für zwei Jubiläumsanlässe auf 8000 Franken.

Laut Esther Straub stützen die Entscheide des Kirchenrats auf die Vorprüfung der Projekte durch den Kanton ab. Gleichzeitig betont aber Marius Tongendorff vom Kanton: «Die Verfahrenshoheit liegt bei den Kirchen.» Schliesslich handle es sich bei den Staatsbeiträgen, die der Kantonsrat bewilligt hat, um einen Rahmenkredit, über den die Kirchen auf der Basis des Tätigkeitsprogramms frei verfügen könnten.

Dass die muslimische Gemeinschaft von der reformierten Kirche Geld erhält, ist nicht neu. Der Verein, der die Qualitätssicherung der muslimischen Seelsorge in öffentlichen Institutionen im Kanton Zürich sicherstellt, wird schon lange mit jährlich 75 000 Franken unterstützt. Nun fällt wie beim Weiterbildungsangebot Zürich-Kompetenz, das Imame und andere religiöse Betreuungspersonen mit den Schweizer Werten vertraut macht und ihre kulturvermittelnden Kompetenzen stärken will, der Kanton als wichtiger Geldgeber weg.

Erfolgsmodell bewahren

Auch für die muslimische Seelsorge in Spitälern fehlt das Geld aus der Staatskasse. Das Zürcher Modell, in dem die Religionsgemeinschaften die Spitalseelsorge verantworten, verteidigt Kirchenratspräsidentin Straub immer wieder, weil so das konfessionelle Profil bewahrt und die Freiheit erhalten bleibe. Die interreligiöse Öffnung hält Straub für eine Erfolgsgeschichte, «von der Spitäler und Kirchen profitieren». 

Im November kommen die Gesuche der Vioz in die Synode. Über die übrigen Gesuche entscheidet der Kirchenrat in eigener Finanzkompetenz. Für Ruth Derrer Balladore ist keine Zeit mehr für Grundsatzdebatten: «Es kann nur noch um eine Gewichtung und Bestätigung gehen.» Mit seiner Vorprüfung habe der Kanton gezeigt, dass er die Projekte unterstützen wolle.