«Historische Bedeutung» sprach Regierungsrätin Jacqueline Fehr (SP) dem Entscheid des Parlaments über die Staatsbeiträge für die öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften zu. Statt sich in Konflikte hineinziehen zu lassen und die Spaltung zu befeuern, spannten die Religionsgemeinschaften im Kanton Zürich zusammen. «Sie setzen sich ein für Menschlichkeit, Frieden und Dialog», sagte Fehr.
Seelsorge für alle
Die reformierte Kirche und die römisch-katholische Körperschaft erhalten von 2026 bis 2031 vom Kanton rund 300 Millionen Franken für Leistungen, die sie für die gesamte Gesellschaft erbringen. Darunter fallen soziale Aufgaben, Seelsorge in öffentlichen Institutionen sowie Angebote in Bildung und Kultur. Auch Beiträge an die christkatholische Kirche, die Israelitische Cultusgemeinde Zürich und die jüdisch-liberale Gemeinde sind durch den Rahmenkredit abgedeckt.
Insgesamt zwölf Millionen Franken wollen die Kirchen in Projekte stecken, mit denen die muslimische Glaubensgemeinschaft oder christlich orthodoxe Kirchen ihre demokratischen Strukturen stärken. Und auch die seelsorgerliche Arbeit, welche die Priester und Imame in den Spitälern, Asylunterkünften und Gefängnissen leisten, wollen die Landeskirchen finanzieren.
Soziale Verantwortung
Dagegen, dass ein Teil der Staatsbeiträge für religiöse Gemeinschaften reserviert ist, die über keine öffentlich-rechtliche Anerkennung verfügen, formierte sich in der Sitzung vom 3. Februar Widerstand. Aber die FDP scheiterte mit dem Antrag, die Weitergabe der Mittel aus der Kantonskasse an Dritte zu verbieten, mit 59 zu 99 Stimmen.
Der Vorschlag der SVP, den Rahmenkredit um zwölf Millionen Franken zu kürzen, wurde mit 107 zu 58 Stimmen abgelehnt. Am Ende wurde die Vorlage des Regierungsrats mit 104 zu 56 Stimmen deutlich angenommen.
Auf einem neuen Level
Als «Zeichen der Anerkennung der gemeinnützigen Arbeit, die muslimische Gemeinschaften leisten» interpretiert Muris Begovic den Entscheid. Ausdrücklich begrüsst der Imam und Geschäftsführer der Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich (Vioz), «dass eine offene Debatte geführt wurde».
Wichtig ist für Begovic, dass nun die Finanzierung bewährter Projekte gesichert ist. Er erwähnt das Programm «Zürich Kompetenz», das für muslimische Betreuungspersonen und Imame entwickelt wurde. «Der Parlamentsentscheid hebt die interreligiöse Zusammenarbeit auf ein neues Level», sagt Begovic.
Kanton gewinnt Zeit
Die reformierte Kirchenratspräsidentin Esther Straub sieht die Kirchen als Brückenbauerinnen: Kleinere Religionsgemeinschaften sollen Pilotprojekte entwickeln können, die von den Kirchen in Absprache mit dem Kanton unterstützt werden. Wenn die Ideen zum Fliegen kommen, soll der Staat dann allerdings selbst übernehmen: Straub geht davon aus, dass der Kanton nach Ablauf der sechsjährigen Beitragsperiode «sein Verhältnis zu den nicht anerkannten Religionsgemeinschaften geregelt haben wird».
Auch für Begovic kann der nun beschlossene Umweg über die Kirchen nur eine Übergangslösung sein. «Eigentlich sollte der Staat unser direktes Gegenüber sein», sagt er. Entscheidend sei jedoch, dass «wir überhaupt auf einem Weg sind, der uns befähigt, unsere gesamtgesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen zu können». In den 30 Jahren seit ihrer Gründung sei die Vioz bereits weit gekommen.
Der Ball liegt bei der Synode
Im Kantonsrat herrschte Konsens, dass das Finanzierungsmodell weiterentwickelt werden muss. Sie akzeptiere die vorgelegte Lösung nur zähneknirschend, liess die GLP verlauten, die EVP äusserte trotz ihrer Zustimmung ebenfalls Vorbehalte.
Zwar hatte die reformierte Synode das Tätigkeitsprogramm verabschiedet, sie wollte aber ohne Einverständnis des Kantonsrats keine Staatsbeiträge für Projekte nicht anerkannter Gemeinschaften freigeben. Im März wies sie die Vorlage des Kirchenrats zurück. Straub sprach damals noch von einem «weisen Beschluss». Jetzt jedoch sei die Synode entscheidungsfähig.