Die Motivation der Seniorinnen ist Ausgangspunkt für Engagement wie Doku: Etwa, wenn die Tessinerin Bruna Molinari vom Asthma erzählt, das sie in heissen Sommermonaten zunehmend quält. Die Westschweizerin Véronique Mermoud geht an Hitzetagen gar nicht mehr nach draussen. Die Frauen leiden unter den immer stärkeren Hitzesommern, sorgen sich aber auch um die nächsten Generationen.
In einer beklemmenden Szene stehen die Protagonistinnen Rita Schirmer-Braun und Pia Hollenstein vor dem schmelzenden Morteratschgletscher im Engadin. «Ich habe meinen Kindern gesagt, sie sollen unbedingt noch all diese Orte besuchen, bevor sie verschwinden», sagt Schirner-Braun.
Die Seniorinnen aus allen Landesteilen organisieren sich - mit Unterstützung von Greenpeace lancieren sie die Klage gegen ihr eigenes Land. «Wir bringen das Klima aus der polarisierten links-rechts Ecke in den Gesundheitsraum, den Menschenrechtsraum und viele weitere Räume», bringt Georg Klingler, Umweltwissenschaftler und Klimaexperte bei Greenpeace Schweiz, das Vorhaben auf den Punkt.
Die Frauen sehen in ihrem Engagement auch Parallelen zum Kampf ums Frauenstimmrecht, das hierzulande erst 1971 eingeführt wurde. «Der Kampf ums Frauenstimmrecht in der Schweiz und unsere Klage in Strassburg ist wie ein Kreis, der sich schliesst», sagt Klimaseniorin Stefanie Brander.
Schweiz soll nachbessern
So aussichtslos die Klage scheint, so gross ist der Triumph der Frauen bei der Urteilsverkündung. Der Klimaschutz wird damit quasi zum Menschenrecht erklärt. Der Film zeigt anschaulich die internationale Aufmerksamkeit, die der Fall erhält. Und auch die Ernüchterung, die sich kurz danach breit macht.
Denn Schweizer Politikerinnen und Politiker von rechts bis in die Mitte forderten, dem Urteil nicht nachzukommen. Und auch der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Schweiz die klimapolitischen Anforderungen des Urteils bereits erfüllt, wie er wenige Monate später mitteilte.
Die Reaktion der Politik nimmt schlussendlich aber weder dem Film noch den Aktivistinnen oder ihrem juristischen Team die Kraft. Das Urteil werde in vielen künftigen Entscheidungen noch eine Rolle spielen, ist Anwältin Roda Verheyen überzeugt. Und auch die mediale Wirkung ist kaum zu unterschätzen:
Die Co-Präsidentin der Klimaseniorinnen, Rosmarie Wydler-Wälti, wurde im Dezember von der BBC in die Liste der hundert einflussreichsten Frauen des Jahres 2024 aufgenommen. Auch die Anwältin Cordelia Bähr, die im Fall federführend war, erhielt viel Aufmerksamkeit für Ihre Arbeit. Für die Zeitschrift «Nature» ist sie einer von zehn Menschen, die die Wissenschaft im Jahr 2024 massgeblich geprägt haben.
Schliesslich hat im März auch der Europarat noch nachgedoppelt: Das Ministerkomitee des Europarats, das den Vollzug der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte überwacht, hat die Umsetzung des EGMR-Urteils geprüft und Nachbesserungen verlangt.