Es ist ein erster Etappensieg für vier Bewohnerinnen und Bewohner der indonesischen Insel Pari und auch das Hilfswerk der evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (Heks). Vor dem Kantonsgericht Zug klagten sie gegen Holcim. Der Zementhersteller wehrte sich in der Verhandlung Anfang September gegen das Zivilverfahren. Nun hat das Gericht die Klage jedoch zugelassen.
Pari liegt nur anderthalb Meter über dem Meeresspiegel. Sie spüre die Auswirkungen des Klimawandels «jeden Tag», sagte Ibu Asmania, die auf der Insel einen Laden besitzt. Die steigenden Wassertemperaturen zerstören Lebensgrundlagen, Fischer fürchten um ihr Auskommen, Flutwellen dringen vermehrt in die Häuser ein.
Teil einer globalen Welle
Laut Heks zählt Holcim weltweit zu den 100 Firmen, die am meisten CO2 ausstossen. Damit gehöre das Unternehmen zu den «Hauptverursachern der Klimakrise», sagte Yvan Maillard Ardenti in einem Interview mit «reformiert.». Der Umweltwissenschaftler ist beim Hilfswerk Themenbeauftragter für Klimagerechtigkeit. Das Verfahren in Zug ist Teil einer Welle von über 2000 Klimaklagen weltweit. Maillard hält sie für «gute Instrumente, Staaten und Unternehmen zu zwingen, mehr für das Klima zu tun».
Die Klägerinnen und Kläger verlangen von Holcim, die Emissionen am international vereinbarten Klimaziel auszurichten. Demnach soll die Klimaerwärmung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter auf 1,5 Grad gesenkt werden. Darüber hinaus fordern sie, dass sich Holcim finanziell an Schutzmassnahmen auf der Insel beteiligt und für Schäden aufkommt.
Kaum Alternativen
Holcim sieht sich zu Unrecht auf der Anklagebank. Zwar anerkennt die Firma den Klimawandel als existenzielle, von Menschen verursachte Bedrohung. Klimaschutz sei jedoch Aufgabe der Politik. Gegenüber «reformiert.» betonte eine Sprecherin 2023, als die Klimaklage lanciert worden war, dass der Klimaschutz im Mittelpunkt der Unternehmensstrategie stehe.
Die Forderung von Umweltorganisationen, auf alternative Baustoffe zu setzen, weist der Zementriese aber zurück. Beton sei erschwinglich, isolierend, überall erhältlich und könne unzählige Male recycelt werden.
Bevor die Klage materiell verhandelt wird, kann der Entscheid, ob das Zivilverfahren in Zug eröffnet wird, bis vor Bundesgericht weitergezogen werden. Holcim hat bereits angekündigt, das Urteil nicht zu akzeptieren. Das Unternehmen sei weiterhin überzeugt, dass die Gerichte nicht der geeignete Ort seien, «um der globalen Herausforderung des Klimawandels zu begegnen und dass die Frage, wer wie viel CO₂ ausstossen darf, eine Kompetenz des Gesetzgebers ist», heisst es in einer Stellungnahme. Zum laufenden Verfahren will sich Holcim nicht weiter äussern.
Das Gericht hat zugehört
In einer ersten Reaktion bezeichnet Johannes Wendland den Eintretensentscheid als «wichtigen Erfolg für die Fischerinnen und Fischer aus Pari, aber auch für den Kampf für Klimagerechtigkeit». Das Gericht habe die Argumente beider Parteien sorgfältig geprüft und «das starke persönliche Interesse der Klagenden anerkannt».
Mit Ibu Asmania habe erstmals eine vom Klimawandel bedrohte Person aus dem Globalen Süden in einem Schweizer Gerichtssaal gesprochen. «Nun wissen wir, dass ihr zugehört wurde», sagt Wendland, der bei Heks als Fachperson Klimagerechtigkeit tätig ist.
